Die deutliche Straffung der finanziellen Bedingungen seit Ende 2021 hat einen neuen Anleihenmarkt geschaffen, der sich fundamental von jenem Markt unterscheidet, der während und nach der Pandemie durch beispiellose Liquidität geschwemmt wurde. Die durch diese Umbrüche ausgelösten Gegenkräfte werden die Anleger auch 2024 vor Herausforderungen stellen.
Wir glauben, dass das 2024 vorherrschende Makro-Umfeld im Wesentlichen dadurch geprägt ist, dass der Höhepunkt in sämtlichen Bereichen erreicht oder überschritten ist: Inflation, Liquidität, fiskalpolitische Stützung, Wachstum in China, Wohnungsbau, Verfügbarkeit von Krediten und Stärke des Arbeitsmarktes. Mit anderen Worten gehen die meisten außerordentlichen Rückenwinde, die das Umfeld nach der Pandemie geprägt haben, zurück.
Auch wenn sich die globale Wirtschaft, insbesondere in den USA, gegenüber den höheren Zinsen bislang als relativ widerstandsfähig erwiesen hat, ist eine harte Landung nach wie vor nicht auszuschließen – umso mehr, nachdem die Renditen für Anleihen gestiegen sind. Selbst wenn wir 2024 nicht in die Rezession rutschen, dürften die Wachstumssorgen phasenweise zunehmen.
Ende November wurden an den Futures-Märkten für 2024 vier Zinssenkungen durch die Fed eingepreist. Zugleich wurde allgemein erwartet, dass die US-Notenbank zur Rettung eilen würde, falls die US-Wirtschaft in eine Rezession abgleitet. Da es der Fed wie den meisten anderen Zentralbanken der Industrieländer jedoch nicht gelungen ist, die Post-COVID-Inflation einzudämmen, glauben wir, dass die Währungshüter die Leitzinsen bis weit in das Jahr 2024 hinein auf einem relativ hohen Niveau beibehalten werden.
Zudem könnten strukturelle Kräfte – darunter die Deglobalisierung, die niedrigere Erwerbsquote und der Druck auf die Energiepreise – die Inflation stärker anfachen, als es in früheren Abschwüngen der Fall war, was die Zentralbanken davon abhalten könnte, ihre Geldpolitik wieder zu lockern.
Natürlich könnte eine längere Phase mit hoher Volatilität an den Finanzmärkten die geldpolitischen Entscheidungsträger dazu veranlassen, über die hartnäckige Inflation hinauszublicken und die Zinsen wieder zu senken bzw. eine Pause in ihrer quantitativen Straffung einzulegen, mit der sie die Liquidität der Zentralbanken verringern, indem sie die während der Pandemie erworbenen Anleihen wieder aus ihren Bilanzen nehmen.
Mögliche klare Warnsignale für eine bevorstehende geldpolitische Kehrtwende könnten beispielsweise eine schwerere Bankenkrise, ein Zusammenbruch am Markt für Gewerbeimmobilien, ein signifikanter Ausverkauf bei Mega Cap‑Technologiewerten, die den US‑Aktienmarkt 2023 angetrieben haben, oder eine Verschlechterung der Bedingungen an den Private Equity-Märkten sein.
In unserem Basisszenario gehen wir jedoch davon aus, dass die Zentralbanken ihre Zinsen bis ins Jahr 2024 hinein beibehalten. Dadurch dürfte sich die Volatilität auf das längere Ende der Renditekurve verlagern, im Gegensatz zu 2022 und Anfang 2023, als die Straffung der Fed am kurzen Ende für einen überzogenen Renditeanstieg geführt hatte.
Angesichts der ausufernden Haushaltsdefizite erwarten wir, dass die Regierungen den Markt weiterhin mit neuen Staatsanleihen überschwemmen werden. Dies gilt insbesondere für die USA, wo das Finanzministerium den Großteil der Neuemissionen von kurzfristigen T‑Bills auf längerfristige Anleihen verlagert (Abbildung 4).
Diese Verlagerung der Emissionen ist Grundlage für unsere Einschätzung, von der wir am meisten überzeugt sind: Die Renditekurve wird sich 2024 versteilern. Auch wenn die Renditen für Qualitäts-Staatsanleihen bis Jahresende ihren Höchststand erreichen könnten, könnten sie ebenso weiter steigen. Dementsprechend glauben wir, dass die Versteilerung der Renditekurve eine noch größere Rolle spielt als das künftige Zinsniveau.
Ein starker Anstieg der Staatsanleiheemissionen hat außerdem zur Folge, dass dadurch Unternehmen aus dem Markt gedrängt werden könnten. Auf jeden Fall aber werden dadurch die Finanzierungskosten in die Höhe getrieben, was die Bereitschaft der Unternehmen senken könnte, Investitionsprojekte voranzutreiben oder mehr Personal einzustellen. Dadurch würde eine wichtige Stütze für die globale Wirtschaft wegbrechen.
Abbildung 4: Netto-Neuemissionen von US-Staatsanleihen.
Ein näherer Blick auf die Märkte für Unternehmensanleihen lässt erwarten, dass die attraktiven Renditen die Nachfrage nach Hochzinspapieren weiterhin stützen, auch wenn die Kreditspreads (die Renditedifferenzen zwischen risikobehafteten Anleihen und hochwertigen Staatsanleihen mit ähnlichen Laufzeiten) weniger überzeugend erscheinen und sich Ende November in der Nähe der historischen Durchschnittswerte bewegten.
Um attraktive Renditen zu erzielen, müssen Anleger weniger Kreditrisiken in Kauf nehmen als früher, da sich die Qualität von Hochzinsanleihen insgesamt verbessert hat (Abbildung 5).
Abbildung 5: Anteil von BB-Anleihen im Credit Suisse High Yield-Index (in Prozent)
Attraktive Anlagepotenziale sehen wir zudem bei relativ kurzfristigen IG‑Unternehmensanleihen, die zwar mit gewissen Kreditrisiken behaftet sind, jedoch durch ihre kurze Laufzeit weniger anfällig sind für einen wirtschaftlichen Abschwung. Unternehmensanleihen mit kürzerer Laufzeit boten Ende November einen deutlichen Renditeaufschlag gegenüber Geldmarktfonds und Bankspareinlagen, sodass Anleger damit besser positioniert sind, falls die kurzfristigen Zinsen im Jahr 2024 sinken.
Mit Blick auf 2024 sind die Kreditspreads für längerfristige IG‑Unternehmensanleihen unseres Erachtens nicht ausreichend hoch, um das zusätzliche Risiko, das sich aus der längeren Laufzeit ergibt, auszugleichen. Falls die Spreads für längerfristige IG-Unternehmensanleihen im Jahresverlauf 2024 steigen, könnten sich jedoch attraktivere Gelegenheiten bieten.
In einem Umfeld, in dem sich die Märkte an das neue Umfeld mit höheren Zinsen anpassen und sich das globale Wirtschaftswachstum verlangsamt, dürften die Korrelationen zwischen den Renditen hochwertiger Staatsanleihen und der Performance von Risikoassets, darunter Aktien und Unternehmensanleihen, volatil bleiben. Dennoch glauben wir, dass sich eine Positionierung in Papieren mit längerer Duration in Phasen lohnen könnte, in denen Aktien und Unternehmensanleihen nachgeben.
Nicht zu den Kernpositionen zählende Anleihen, darunter Hochzins‑ und Schwellenländeranleihen, sollten auch in Phasen, in denen Aktien nach oben oder seitwärts tendieren, diversifizierte Renditequellen bieten.
Viele Anleger warteten 2023 offenbar darauf, dass sich bei den Anleiherenditen ein Höhepunkt abzeichnet, bevor sie ihre Allokation in Anleihen wieder anheben. Mit Blick auf 2024 dürfte es allerdings attraktiver sein, die Tatsache zu nutzen, dass die Renditen in vielen Segmenten auf dem höchsten Stand seit 20 Jahren liegen. Wie immer kommt es sowohl bei Investment Grade- als auch bei High Yield‑Anleihen entscheidend darauf an, die Fundamentaldaten eingehend zu analysieren.
Nur zur Veranschaulichung. Diese Informationen verstehen sich nicht als
Anlageberatung oder als Empfehlung für bestimmte Transaktionen.
Weitere Ausblicke
Jeden Monat erstellt unser Investmentkomitee einen Bericht, in dem es die zwei von ihnen beobachteten Marktthemen, ihre Einschätzung der Anlegerstimmung in den einzelnen Regionen und ihre neuesten Über- und Untergewichtungen von Anlageklassen darlegt.
Dieser Bericht soll Ihnen bei Ihrer Entscheidungsfindung und bei der Beratung Ihrer Kunden helfen.