Die globalen Aktienmärkte dürften auch 2024 vor einigen Herausforderungen stehen, da die Märkte auf ein Regime mit einem höheren Trendinflations- und Zinsniveau übergehen. Dieser Regimewechsel könnte die Erwartungen an das Gewinnwachstum verschieben, was für Volatilität sorgen dürfte. Daher ist ein umsichtiges Risikomanagement von entscheidender Bedeutung.
Positiv ist, dass eine breitere, weniger konzentrierte Marktführerschaft für Anleger, die einen klaren Fokus auf die Fundamentaldaten beibehalten, das Spektrum an Renditequellen erweitert.
Auch wenn US‑Aktien angemessener bewertet scheinen, konkurrieren sie mit den attraktiven Renditen von Geldmarkt- und anderen kurzfristigen Festzinspapieren. Daher sollten Anleger nach Segmenten suchen, die attraktive relative Bewertungen aufweisen.
Die Performance der globalen Aktienmärkte wurde 2023 vor allem von den „glorreichen sieben“ Mega Cap‑Technologieaktien aus den USA befeuert (Abbildung 6), die von der Erwartung überdurchschnittlicher Gewinne und dem Boom bei Anwendungen künstlicher Intelligenz (KI) profitierten. Von Januar bis November 2023 verzeichneten die „glorreichen Sieben“ auf kapitalisierungsgewichteter Basis zusammen einen Wertzuwachs von mehr als 70 % – gegenüber Zugewinnen von weniger als 9,5 % bei den übrigen 493 S&P 500-Aktien (Abbildung 6). Derart hochkonzentrierte Märkte erhöhen das Risiko – insbesondere bei Anlagestrategien, die wegen ihrer Ausrichtung auf eine Benchmark in diesen übergroßen Positionen investiert sein müssen.
Die angespannten Bewertungen, die durch ihre starke Kursperformance im letzten Jahr entstanden sind, machen die Tech‑Giganten der USA anfällig für eine „Rückkehr zum Mittelwert“ – die historische Tendenz, dass auf Phasen, in denen sich Aktien überdurchschnittlich entwickeln, unterdurchschnittliche Renditen folgen. Dementsprechend gehen wir davon aus, dass die Führungsposition der Mega Cap‑Technologieaktien im Jahr 2024 schwinden wird, wenn sich das Spektrum der Anlagechancen wieder erweitert.
Abbildung 6: Kumulierte Renditen in den ersten 10 Monaten 2023.
Wir bevorzugen nach wie vor Schwellenländer- gegenüber Industrieländer-Aktien, da die relativ attraktiven Bewertungen (Abbildung 7), ein potenzieller Anstieg der Unternehmensgewinne und die Möglichkeit zusätzlicher fiskal- und geldpolitischer Anreize die Schwellenmärkte insgesamt stärker stützen. Zusätzlich könnten die Schwellenländer, allen voran Malaysia, Indonesien, Brasilien und Chile, von den zunehmenden Bestrebungen profitieren, eine Dezentralisierung der globalen Lieferketten voranzutreiben.
Abbildung 7: 12-Monats-Forward-Kurs/Gewinn-Verhältnisse (KGV).*
In den Industrieländern sehen wir auf kurze Sicht bei europäischen Aktien weniger attraktive Potenziale als bei Aktien anderer Industrieländer und der Schwellenländer. Im weiteren Verlauf des Konjunkturzyklus dürfte die Nachfrage sinken, was die Gewinnmargen unter Druck setzen könnte. Unternehmen, die relativ robuste Margen aufweisen, dürften sich in diesem Umfeld besser behaupten, sodass ihre Bewertungen steigen sollten.
Da Europa Kurs auf eine wirtschaftliche Erholung nimmt, die wir im späteren Jahresverlauf 2024 erwarten, dürften sich bei europäischen Aktien, die dann voraussichtlich immer noch angemessen bewertet sind, weitere Chancen ergeben.
Japanische Aktien scheinen nach wie vor relativ attraktiv. Der japanische Yen scheint unterbewertet und dürfte wieder zulegen, sobald die Zentralbank des Landes (BoJ) ihren geldpolitischen Kurs ändert. Während ein stärkerer Yen in der Vergangenheit für die exportorientierte japanische Wirtschaft als nachteilig angesehen wurde, ist angesichts der positiven Dynamik und des Potenzials für eine Kapitalrückführung durch inländische Anleger unklar, wie sich eine starke japanische Währung künftig auswirken wird. Für ausländische Anleger bietet der japanische Markt derzeit drei Vorteile – angemessene Bewertungen, eine schwache Währung und strukturelle Reformen.
Die Wachstumsaussichten für China sind weniger gut. Denn die Bemühungen, die Nachfrage anzukurbeln, waren bislang kaum wirksam. Die Entscheidung der Regierung, das Haushaltsdefizit 2024 auf über 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ansteigen zu lassen, war ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch ist unklar, ob Peking noch weiter gehen wird. Diese Unsicherheit spiegelt sich momentan in den relativ niedrigen Bewertungen der chinesischen Aktienmärkte wider.
Während ungewiss ist, wie sich das chinesische Wachstum weiterentwickelt, könnte eine überzogen pessimistische Stimmung im Jahr 2024 Chancen bei einigen ausgewählten Aktien in Sektoren eröffnen, die von der technologischen Modernisierung der chinesischen Industrie profitieren, beispielsweise in den Bereichen Elektrofahrzeuge, Halbleiter und höherwertige Industrieprodukte.
Technologie/KI: Inwieweit die hoch bewerteten Tech-Giganten der USA die beträchtlichen Erwartungen an den KI-Boom tatsächlich erfüllen, könnte entscheidend dafür sein, inwieweit sie im Jahr 2024 unter Druck geraten. Letztlich stehen die US-Tech-Konzerne beim Aufbau neuer bzw. beim Ausbau bestehender Kompetenzen miteinander im Wettlauf. Anders als beim Internet-Boom in den 1990er Jahren, der nur relativ wenigen Hauptprofiteuren zugutekam, hat KI unseres Erachtens jedoch das Potenzial, die Produktivität zahlreicher Branchen und Unternehmen zu steigern.
Attraktive Chancen sehen wir beispielsweise bei Halbleiterunternehmen, die hochmoderne Chips entwickeln, bei Tech‑Dienstleistern, die Unternehmen bei der Skalierung und Optimierung ihrer KI-Fähigkeit unterstützen, sowie bei Rechenzentren, die von der steigenden Nachfrage profitieren.
Gesundheit: Innovationen in der Bioverfahrenstechnik, bei medizinischen Geräten oder neuen Behandlungsmethoden für Adipositas könnten für Aktienanleger im Jahr 2024 erhebliche Chancen bieten. Die Entscheidung der US-Arzneimittelbehörde FDA, bestimmte Diabetesmedikamente auch für die Behandlung von Übergewicht zuzulassen, hat das Potenzial, nicht nur dem einzelnen Patienten zu helfen, sondern auch die Ökonomie des Gesundheitswesens neu zu gestalten, da Adipositas häufig viele andere Erkrankungen nach sich zieht. Diese Fortschritte könnten längerfristig auch Auswirkungen auf die Sektoren Lebensmittel, Einzelhandel und Hotels & Gaststätten haben, da sich die strukturellen Muster verändern.
Energie und Rohstoffe: Energie- und andere rohstoffbezogene Aktien könnten 2024 als attraktive Absicherung für den Fall dienen, dass die Inflation stärker als erwartet steigt und/oder geopolitische Ereignisse einen neuen Energiepreisschock auslösen. Diese Sektoren könnten außerdem zunehmend in den Fokus der Anleger rücken, wenn Länder und Unternehmen ihre Dekarbonisierungspläne vorantreiben. Viele Schwellenländer sind stark auf den Energie- und Rohstoffsektor ausgerichtet und dürften davon profitieren, wenn Projekte im Bereich erneuerbare Energien einen Investitionsboom auslösen.
Die längerfristigen Aussichten für die Rohstoffproduzenten könnten sich verbessern, wenn die Preise aufgrund des Erreichens der Produktivitätsspitze und des Anstiegs der Produktionskosten nach oben gehen. Zudem dürften die Energiepreise auch bei einem steigenden Angebot aufgrund der geopolitischen Risiken hoch bleiben, was die Rentabilität der Branche stützen könnte.
Diese Faktoren bedeuten nicht zwangsläufig, dass an den globalen Rohstoffmärkten ein neuer Bullenmarkt einsetzt. Doch sie deuten darauf hin, dass wir die Talsohle des langfristigen Zyklus durchschritten haben könnten.
Weitere Ausblicke
Jeden Monat erstellt unser Investmentkomitee einen Bericht, in dem es die zwei von ihnen beobachteten Marktthemen, ihre Einschätzung der Anlegerstimmung in den einzelnen Regionen und ihre neuesten Über- und Untergewichtungen von Anlageklassen darlegt.
Dieser Bericht soll Ihnen bei Ihrer Entscheidungsfindung und bei der Beratung Ihrer Kunden helfen.