Angenommen, ich bin ein Zeitreisender und sage Ihnen, wie die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 im nächsten Jahr ausfallen werden. Um ein wenig anzugeben, nenne ich Ihnen die Zahl bis zur dritten Nachkommastelle. Würden Sie diese Zahl verwenden, um Ihr ganzes Geld auf eine Prognose der Aktienmarktrendite zu setzen?
Ich hoffe nicht. Sie müssten in diesem Fall auch vorhersagen, wie sich die Anlegerstimmung entwickeln wird, und ich habe Ihnen keine Informationen über die Veränderung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses gegeben.
„Die Prognose von Aktienrenditen ist eine der schwierigsten Aufgaben in der Finanzwelt.“
Dieses Gedankenexperiment veranschaulicht, warum die Prognose von Aktienrenditen zu den schwierigsten Aufgaben in der Finanzwelt gehört. Bemerkenswerterweise ist es fast ebenso schwierig, die tatsächlich erzielten Renditen zu erklären. Selbst im Nachhinein wissen die Anleger nicht immer, warum die Aktienkurse gestiegen oder gefallen sind – trotz der selbstsicher präsentierten Erklärungen, die man dazu täglich in den Finanzmedien hört.
Gewinne zu erklären ist einfacher, weil das Verhalten der Anleger dabei keine Rolle spielt. Konzentrieren wir uns daher zunächst auf dieses Thema. Anschließend prognostizieren wir die Gewinne, und im letzten Teil des Artikels erörtern wir die Anlegerstimmung.
Wir haben ein faktorbasiertes Modell entwickelt, dass die Unternehmensgewinne anhand von drei makroökonomischen Variablen erklärt:
Die langfristige historische Korrelation zwischen den aus dem Modell abgeleiteten und den tatsächlich erzielten Gewinnen liegt bei beeindruckenden 85%. Das Modell ist einfach, aber leistungsstark:
Unternehmensgewinne im S&P 500 = 7% + 2,2x Inflation – 3,0x Arbeitslosenquote + 1,0x Wachstum
Erklärung der Variablen:
Jede der Variablen wird als Differenz gegenüber dem Vorjahr ausgedrückt, und die Gewinne werden als prozentuale Veränderung gegenüber dem Vorjahr angegeben. Das Modell wurde auf Basis der monatlichen Daten vom 31.12.1997 bis zum 31.10.2024 erarbeitet. Bei der Verwendung dieses Modells fügen wir Prognosen für die Inflation, die Arbeitslosigkeit und das Wachstum ein und erhalten auf diese Weise eine auf makroökonomischen Daten basierende Prognose für die Gewinne der Unternehmen S&P 500. Somit ist das Modell mit minimalem Aufwand einsatzbereit. Bitte sehr!
Wir haben uns für die Prognosen des Gewinns je Aktie für die nächsten zwölf Monate entschieden, weil sie stärker geglättet und weniger schwankungsanfällig sind als die in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Gewinne. Zudem spiegeln die Gewinnprognosen in etwa das wider, was bereits in den Aktienkursen eingepreist ist – daher sollte ihre Änderung gegenüber dem Vorjahr eine bessere Erklärung für die Aktienrenditen liefern als andere Gewinnkennzahlen. Möglicherweise sind Sie überrascht, dass die Inflation positiv mit den Unternehmensgewinnen korreliert. Die Inflation ist gut für die Gewinne. US-Unternehmen haben Preissetzungsmacht und können ihre Umsätze schneller steigern als die Inputkosten.
Quellen: FactSet und T. Rowe Price. Daten vom 31.12.1998 bis zum 31.10.2024.
Abbildung 11 vergleicht tatsächlich erzielte und aus makroökonomischen Daten abgeleitete (bzw. „angepasste“) Gewinne. Trotz seiner Einfachheit erklärt unser Drei-Faktoren-Modell die Veränderungen bei den Gewinnprognosen erstaunlich gut. Wenn wir dieses Modell jedoch dazu verwendeten, Aktienrenditen zu erklären, einschließlich Änderungen des Kurs-Gewinn-Verhältnisses, sank die Korrelation erheblich (hier nicht dargestellt).
Wie die Grafik zeigt, erfasst unser Modell nicht alle Faktoren, die die Gewinne beeinflussen. In den Jahren 2014 bis 2016, als das Wachstum der Weltwirtschaft schwach und der US-Dollar stark war, was den Wert der im Ausland erzielten Umsätze von US-Unternehmen schmälerte, blieben die tatsächlich erzielten Gewinne hinter den aus makroökonomischen Daten abgeleiteten Gewinnerwartungen zurück. Zudem brachen in diesem Zeitraum die Ölpreise ein, was die Gewinne des Energiesektors belastete.
Dagegen fielen die tatsächlichen Gewinne nach der Senkung des Körperschaftsteuersatzes im Jahr 2018 deutlich höher aus als die Gewinnprognosen auf Basis der makroökonomischen Daten. Auch hier übersah unser Modell einen Faktor, in diesem Fall die Änderungen des Körperschaftsteuersatzes.
Wenn quantitative Analysten mit solchen Abweichungen konfrontiert sind, versuchen sie oft, ihre Modelle zu verbessern, indem sie ihnen fehlende Faktoren hinzufügen. Wenn sie dabei sorgfältig vorgehen, kann dies zu besseren Prognosen führen.
Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit, das Problem zu betrachten. Das Hinzufügen von Faktoren ist nicht immer vorteilhaft.
Einfachere Modelle haben zwei Vorteile:
Quellen: FactSet und T. Rowe Price. Daten vom 30.06.2022 bis zum 31.10.2024.
Damit kommen wir zur heutigen Situation. Abbildung 2 wirft einen genaueren Blick auf die Daten der letzten zwei Jahre. Die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 haben sich deutlich besser entwickelt als die Gesamtwirtschaft. Auf Basis der Veränderungen der Inflation, der Arbeitslosigkeit und der PMIs in den vorangegangenen 12 Monaten impliziert unser Modell, dass die Gewinne um 5,5% hätten steigen müssen – die tatsächlich erzielten Gewinne stiegen jedoch mit einer Rate von 11%.
Quellen: FactSet und Bloomberg Finance L.P. Daten vom 30.06.2022 bis zum 31.10.2024. Wir haben die Aggregate Builder-Funktion in Bloomberg verwendet, um einen benutzerdefinierten Index des S&P 500 ohne die Wertpapiere der „Glorreichen Sieben“ zu erstellen.
Warum übertreffen die tatsächlichen Gewinne die aus makroökonomischen Daten abgeleiteten Gewinnprognosen? Sie haben es vielleicht schon erraten: Es liegt an den „Glorreichen Sieben“ (Alphabet, Amazon.com, Apple, Meta Platforms, Microsoft, NVIDIA und Tesla). Unser Modell berücksichtigt nicht die enorme, auf Technologie basierte Ertragskraft dieser Unternehmen und den Boom bei Investitionen in künstliche Intelligenz (KI). Wie Abbildung 3 verdeutlicht, stimmte das Gewinnwachstum der restlichen Unternehmen des S&P 500 besser mit unseren auf makroökonomischen Daten basierenden Gewinnprognosen überein.
Quellen: Alle Daten vom 31.10.2024. Jede der Variablen wird als Differenz gegenüber dem Vorjahr ausgedrückt, und die Gewinne werden als prozentuale Veränderung gegenüber dem Vorjahr angegeben. Das Modell wurde auf Basis der monatlichen Daten vom 31.12.1997 bis zum 31.10.2024 geschätzt. S&P 500 Gewinne: 12-Monats-Gewinn je Aktie. VPI: FRED Verbraucherpreisindex für alle städtischen Verbraucher: Alle Artikel im Durchschnitt der US-Städte, prozentuale Veränderung gegenüber dem Vorjahr, monatlich, nicht saisonbereinigt. Arbeitslosigkeit: Bloomberg Finance L.P., U-3 US-Arbeitslosenquote insgesamt in der Erwerbsbevölkerung saisonbereinigt. PMI: Bloomberg Finance L.P., ISM Fertigungs- und Nicht-Fertigungsindizes. Das Regressionsmodell basiert auf den gleitenden 3-Monats-Durchschnittswerten für den PMI.
Abbildung 4 zeigt unsere Modellannahmen, wobei die grau unterlegten Zellen die Eingabewerte enthalten. Dabei handelt es sich um die jüngsten 12-Monats-Veränderungen der einzelnen makroökonomischen Faktoren.
Quellen: Bloomberg Finance L.P.; Konsenszahlen: Inflationsprognose (Ticker: ECPIUS 25 Index vs. ECPIUS 24 Index), Arbeitslosenprognose (Ticker: ECUPUS 25 Index vs. ECUPUS 24 Index), PMI-Prognose basierend auf der Vorhersage des BIP-Wachstums und der Erwartungen zur Industrieproduktion. Die anderen drei Szenarien sind unsere eigenen (proprietär). Alle Zahlen sind hypothetisch.
Um aus makroökonomischen Daten abgeleitete Gewinnwachstumsprognosen zu erstellen, haben wir vier Szenarien für die mögliche Entwicklung dieser drei Faktoren in den nächsten 12 Monaten erarbeitet (Abbildung 5).
Nach Angaben von FactSet erwarten Analysten für 2025 ein Gewinnwachstum von 15%. Genau genommen prognostiziert unser Modell das Wachstum der erwarteten Gewinne, aber diese Kennzahl ist stark mit dem Wachstumspotenzial der tatsächlich erzielten Gewinne korreliert.
„Der Konsens ist, dass die Unternehmensgewinne die Entwicklung der Gesamtwirtschaft weiterhin übertreffen werden.“
Der Konsens ist also, dass die Unternehmensgewinne die Entwicklung der Gesamtwirtschaft weiterhin übertreffen werden, selbst in unserem optimistischen Konjunkturszenario. Die Branchenanalysten beurteilen die Gewinnaussichten der „Glorreichen Sieben“, die Steuersenkungen und die Deregulierung optimistisch. Insgesamt beschleunigt sich das Gewinnwachstum, und die US-Notenbank senkt die Zinsen. Zudem scheint die neue US-Regierung einen starken Aktienmarkt anzustreben. Alles in allem ist es daher nicht überraschend, dass die meisten Anleger die Aussichten für den Aktienmarkt zuversichtlich beurteilen.
Aber sind sie dabei zu optimistisch? Mit Blick auf die Zukunft sehe ich vier wesentliche Risiken:
<>Warum wir Aktien leicht übergewichten
Die Vorhersage von Marktrenditen bleibt selbst bei präzisen Gewinnprognosen eine gewaltige Herausforderung, da die Anlegerstimmung eine entscheidende Rolle für die Marktdynamik spielt. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Gewinne. Unser Drei-Faktoren-Modell, das sich auf Kennzahlen für Inflation, Beschäftigung und Wachstum stützt, hat eine beeindruckende 85%ige historische Korrelation zwischen den aus makroökonomischen Daten abgeleiteten und den tatsächlichen Änderungen der Gewinnerwartungen erreicht.
Aufgrund der Investitionen in KI haben die jüngsten Unternehmensgewinne die durch die Wirtschaftsdaten implizierten Gewinnprognosen übertroffen, was einen Bereich aufzeigt, den unser Modell nicht erfasst. Mit Blick auf die Zukunft zeichnen sich potenzielle Risiken ab, während der Markt anscheinend auf Wachstum ausgerichtet ist. Unsere leichte Übergewichtung von Aktien spiegelt eine ausgewogene Einschätzung wider, die sowohl die Chancen als auch die inhärenten Risiken eines Marktes berücksichtigt, dessen Bewertungsniveau einem sehr optimistischen Szenario entspricht.
1 Wie erwähnt, bezieht sich „tatsächlich erzielt“ auf die Veränderung der Gewinnprognosen für die nächsten 12 Monate. Wie nicht anders zu erwarten, korrelieren Veränderungen der Gewinnprognosen stark mit den Veränderungen der tatsächlich erzielten Gewinne in der Vergangenheit.
2 Analysen von T. Rowe Price basierend auf Daten von FactSet Research Systems Inc. Die tatsächlichen Ergebnisse können davon abweichen.
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