Februar 2022 / MARKETS & ECONOMY
Turbulenzen voraus
Deshalb scheint dieser Fed-Straffungszyklus anders zu sein
Es war sicherlich ein ereignisreicher Start ins Jahr 2022! Um die Inflation – den ultimativen Bösewicht – niederzuringen, verfolgen die großen Zentralbanken nun einen klaren Straffungskurs. Erwartungsgemäß reagieren die Zinsmärkte darauf mit einem Abverkauf, und die Risikomärkte sind in der Defensive.
Zu Beginn eines geldpolitischen Straffungszyklus tun sich die Risikomärkte gewöhnlich zunächst schwer, ehe sie wieder Halt finden. Nachfolgend untersuche ich, warum der aktuelle Straffungszyklus anscheinend anders ist und meiner Ansicht nach für Risikoanlagen außergewöhnlich schwierig werden könnte. Einfach ausgedrückt: Um die Inflation zu besiegen, müssen die Zentralbanken die Risikomärkte in Atem halten.
Wenn aus vorübergehend dauerhaft wird
Erst vor wenigen Monaten bezeichnete der Vorsitzende der US-Notenbank (Fed), Jerome Powell, den Anstieg der Inflation als „vorübergehend“ (in der Sprache der Zentralbanken bezeichnet „vorübergehend“ einen Schock, der keine Reaktion der Geldpolitik erfordert). Bei der Sitzung des US-Offenmarktausschusses (FOMC) im Januar hatte Powell seine Meinung jedoch schon spürbar revidiert. Weil erwartet wurde, dass das Wachstum über Potenzial liegen und die Lage am Arbeitsmarkt sich weiter anspannen würde, machte er deutlich, dass der Anstieg der Inflation aus seiner Sicht ein große „Beständigkeit“ aufweise.
Eine beständige Inflation macht eine Reaktion der Geldpolitik unumgänglich – für Powell und seine Kollegen bei der Fed wahrlich eine Herausforderung. Die Geldpolitik muss gestrafft werden, um die Nachfrage nach Arbeitskräften zu drosseln – und wir sprechen hier nicht von einer „freundlichen“ Straffung, mit dem Ziel, die Inflationserwartungen zu verankern oder die Konjunktur vor Erreichen der vollen Auslastung vorsorglich zu bremsen. Keineswegs, denn der Konjunkturmotor läuft bereits auf Hochtouren, die Lohninflation ist real und beständig, und die Zentralbank hinkt mit ihrer Geldpolitik hinterher. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, sieht sich die Fed einer Situation ausgesetzt, in der sie sich seit mehr als zehn Jahren nicht befand.
In einer idealen Welt könnte sie die Geldpolitik straffen, und alle Risikomärkte würden sich weiter gut entwickeln, während die Konjunktur etwas nachlässt. Doch wir leben nicht in einer idealen Welt. In Wirklichkeit muss die Fed in Kauf nehmen, dass entweder die Märkte belastet werden oder die Wirtschaft weiter über Potenzial wächst. Bei der Pressekonferenz im Januar machte Powell deutlich, dass es wohl Ersteres werden würde.
Die Fed hat keine direkte Kontrolle über die Finanzierungsbedingungen, allerdings ist der Leitzins ein wirkungsvolles Instrument, das – wenn es konsequent und beständig genutzt wird – die Finanzierungsbedingungen nach den Vorstellungen der Fed verändern kann. Wie genau sich die Straffung der Finanzierungsbedingungen darstellt, hängt von dem komplexen Zusammenwirken des Wachstums und der Risikostimmung ab. Ist das Wachstum stark, entwickeln sich risikoreiche Anlagen wie Aktien, Unternehmensanleihen und Währungen in der Regel gut. Um die Finanzierungsbedingungen bei einem starken Wachstum restriktiver zu gestalten, muss die Fed eine ganze Reihe von Zinserhöhungen umsetzen. Die Aktien- und Kreditmärkte dürften in so einem Szenario zwar robust bleiben, doch der Anleihemarkt wird von immer weiter steigenden Leitzinsen getroffen, und der US-Dollar wird letztlich aufwerten.
Disruption unvermeidbar
Die Straffung der Finanzierungsbedingungen bei einem schwachen Wachstum stellt sich ganz anders dar. Ist das Wachstum schwach, sind die Risikomärkte labil. Wenn die Fed die Straffung beginnt, nimmt die Risikoabneigung an den Finanzmärkten zu: Aktien und Unternehmensanleihen werden massiv verkauft, und der US-Dollar wertet auf. In diesem Szenario bleibt das lange Ende der Renditekurve robust.
Unabhängig von den Wachstumsaussichten muss die Fed, wenn sie die Konjunktur bremsen will (um zum Beispiel die Nachfrage nach Arbeitskräften zu drosseln), solange an der Leitzinsschraube drehen, bis die Finanzierungsbedingungen restriktiver sind. Wenn meine Analyse richtig ist, sind die kurzfristigen Aussichten für risikoreiche Anlagen trübe, denn auf jedes Anzeichen für Robustheit ihrerseits wird lediglich eine weitere Salve von Zinserhöhungen folgen. Kurz gefasst: Die Fed befindet sich auf einer Mission, die zum Ziel hat, für eine weiterhin schwache Risikostimmung zu sorgen.
Für die meisten geldpolitischen Straffungszyklen gilt das nicht. In einem normalen Zyklus strafft die Fed die Zinsen vorsorglich, und zwar früh genug, ehe die Wirtschaft eine vollständige Auslastung erreicht. Risikoreiche Anlagen haben dann zunächst Schwierigkeiten, kommen letztlich aber damit zurecht – erst gegen Ende des Zyklus erleben wir schwerere Marktkorrekturen. Ich bin der Meinung, dass der aktuelle Zyklus anders ist, denn die Fed hinkt ihrer Ansicht nach hinterher, weil die Lage am Arbeitsmarkt schon zu angespannt ist und die Wirtschaft bereits zu schnell wächst. Deshalb gehe ich davon aus, dass der aktuelle Straffungszyklus eine disruptivere Wirkung haben und die Risikoabneigung erhöhen wird.
Nicht den Helden spielen
Anleger sollten nicht versuchen, den Helden zu spielen. Die Finanzmärkte werden wahrscheinlich unruhig und der Handel von der Risikoabneigung geprägt sein. Für geschickte Anleger, die in der Lage sind, in schwachen Marktphasen Risikoanlagen in ihr Portfolio aufzunehmen, werden sich dadurch Chancen bieten. Der Ausverkauf an den Zinsmärkten war schnell und heftig. Sollte ich aber mit meiner Erwartung für die kurzfristige Entwicklung des Wachstums richtig liegen, ist dieser Ausverkauf bereits recht weit fortgeschritten, sodass am langen Ende der Renditekurve mit einer Atempause zu rechnen sein dürfte. Durch die restriktive Haltung der Fed wird das kurze Ende der Renditekurve fest verankert bleiben. Durch die Rally am langen Ende wird die Renditekurve folglich flacher verlaufen. Entsprechend den Erfahrungen der Vergangenheit ist ein von Risikoabneigung geprägtes Umfeld ein Segen für eine weitere Dollar-Stärke.
An dieser Stelle könnten Sie nun einwerfen: „Aber werden die Zentralbanken, wenn das Wachstum nachlässt, nicht bestimmt eine Kehrtwende vollziehen?“ Vielleicht. Der Kernpunkt in meiner Analyse ist jedoch, dass die Fed nach Ansicht von Jerome Powell hinterherhinkt, was eine solche Kehrtwende für den FOMC sehr schwierig macht. Wir sollten Powells Entschlossenheit nicht unterschätzen: Im Jahr 2018 hob er die Leitzinsen kontinuierlich an, obwohl die Arbeitslosigkeit stieg. Wenn der einflussreichste Zentralbanker der Welt entscheidet, dass die Lage am Arbeitsmarkt angespannt ist und die Nachfrage nach Arbeitskräften gedrosselt werden muss, dann werden die Finanzierungsbedingungen restriktiver.
Und daran besteht leider kein Zweifel.
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