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November 2021 / INVESTMENT INSIGHTS

Der Anleihemarkt ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht

Stärkere Kursschwankungen verdeutlichen die veränderte Realität.

Auf den Punkt gebracht

 
  • Die Volatilität an den Anleihenmärkten hat in letzter Zeit stark zugenommen, da die Zentralbanken versuchen, der Besorgnis über die Inflation entgegenzuwirken, gleichzeitig aber auch das Wachstum weiter anzukurbeln.
  • Die Inflation nimmt zu, da die aufgestaute, nach dem Ende der Lockdowns frei werdende Nachfrage auf Angebotsengpässe und steigende Energiepreise trifft.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass die Marktvolatilität inflationsbedingt hoch bleibt, spricht für einen aktiven Ansatz bei der Anlage in Anleihen.

Die Volatilität an den Anleihenmärkten hat in letzter Zeit stark zugenommen, da die Zentralbanken versuchen, der Besorgnis über die Inflation entgegenzuwirken, gleichzeitig aber auch das Wachstum weiter anzukurbeln. Die Kursschwankungen folgen auf einen langen Zeitraum, in dem die enormen Liquiditätsspritzen der Zentralbanken nach der globalen Finanzkrise die Volatilität von Anleihen künstlich unterdrückt haben. Bei unseren letzten Sitzungen zur Anlagepolitik erörterte das Investmentteam die Gründe für die jüngste Volatilität und ihre Folgen für Anleiheanleger.

Wie lange ist „vorübergehend“?

Derzeit löst die Inflationsentwicklung weltweit Besorgnis aus, da die aufgestaute, nach dem Ende der Lockdowns frei werdende Nachfrage auf Angebotsengpässe und steigende Energiepreise trifft. An den Märkten wurde daraufhin spekuliert, wie schnell die Zentralbanken ihre Wertpapierkäufe reduzieren und die Zinsen anheben würden – daher die Volatilität der Anleihekurse, insbesondere am kurzen Ende der Renditekurve. Bisher erklären die wichtigsten Zentralbanken beharrlich, dass sie über den Inflationsanstieg hinwegsehen werden, da er wahrscheinlich vorübergehender Natur sei.

Doch diese Einschätzung lässt sich nur noch schwer aufrechterhalten – und die Zentralbanken geraten unter Handlungsdruck. „Tatsache ist, dass die Zentralbanken kleinerer Länder, die über eine weniger solide Glaubwürdigkeit verfügen als die US-Notenbank oder die Europäische Zentralbank, ihre Haltung bereits revidieren“, erläutert Quentin Fitzsimmons, Portfoliomanager und Mitglied des Fixed Income Investment Teams. „Beispielsweise haben die Zentralbanken Brasiliens und Russlands die Zinsen rasch erhöht. Doch auch die etablierten, eher orthodoxen Zentralbanken ziehen allmählich nach. Dies zeigte sich Anfang November, als die Reserve Bank of Australia ankündigte, dass sie ihre Politik zur Kontrolle der Renditekurve aufgeben wird.“

… auch die etablierten, eher orthodoxen Zentralbanken ziehen allmählich nach.

- Quentin Fitzsimmons, Portfoliomanager

Ein gewisses Mitgefühl mit den Zentralbanken lässt sich kaum vermeiden – sie befinden sich in einem wahrhaft schwierigen Dilemma. Wenn sie auf den Preisanstieg zu langsam reagieren, könnte die Inflation außer Kontrolle geraten; handeln sie zu schnell, verschrecken sie möglicherweise die Märkte und ersticken die Konjunktur. „Sie müssen mit großer Umsicht vorgehen“, meint Quentin Fitzsimmons. „Doch so vorsichtig sie es auch kommuniziert – wenn eine Zentralbank erklärt: ‚Im nächsten Jahr müssen wir die Zinsen möglicherweise anheben‘, werden die Märkte ihre Erwartungen sofort anpassen, und die Volatilität wird steigen.“

Genau dieser Fall trat kürzlich ein, als die Bank of Canada (BoC) in einer Stellungnahme angab, dass sie angesichts der steigenden Inflation eine Zinserhöhung „in den mittleren Quartalen des nächsten Jahres“ erwägen könnte. Eine vage Zusage, über eine Anhebung der Zinsen Mitte 2022 nachzudenken, mag in den Augen vieler Anleger eine moderate Haltung sein. Dennoch reagierten die Märkte so, als sei die BoC zu einer restriktiven Geldpolitik gewechselt: Der kanadische Dollar wertete drastisch auf und die Anleihekurse brachen ein.

Anleger suchen nach Strategien zur Steuerung der Volatilität

Solange die Inflationsentwicklung und die Reaktionen der Zentralbanken ungewiss bleiben, dürfte die Volatilität an den Anleihemärkten anhalten. Besorgte Anleiheinvestoren versuchen nun verzweifelt, als Absicherung gegen den anhaltenden Preisanstieg inflationsindexierte Wertpapiere zu erwerben – und stellen fest, dass es davon nicht genügend gibt. „Länder, die inflationsindexierte Schuldtitel begeben, sehen sich mit dem Problem von Eventualverbindlichkeiten konfrontiert. Denn wenn die Inflation weiter zunimmt, steigen auch die Kosten für den Schuldendienst“, so Fitzsimmons. „Einige Länder, insbesondere Großbritannien, scheinen sich daher mit der Begebung weiterer Inflationsanleihen zurückzuhalten, auch wenn es eindeutig einen Markt für diese Papiere gibt.“

Länder, die inflationsindexierte Schuldtitel begeben, sehen sich mit dem Problem von Eventualverbindlichkeiten konfrontiert …

- Quentin Fitzsimmons, Portfoliomanager

Eine weitere Möglichkeit, das Risiko zu mindern, wäre die Verringerung des Zinsrisikos durch eine Absenkung der Portfolioduration – oder gar eine Strategie mit negativer Duration. Alternativ dazu können Anleger Strategien für eine strukturelle Kurvenpositionierung in Betracht ziehen, die darauf abzielen, nicht nur von einer Änderung der Gesamtduration zu profitieren, sondern von einem geänderten Verlauf der Renditekurve.

Dies mag sich derzeit schwierig gestalten, da Uneinigkeit darüber besteht, ob die Kurve flacher oder steiler verlaufen sollte. „Die Renditekurve wird steiler, wenn ein Aufschwung erwartet wird – aber auch bei der Aussicht auf Inflation, denn die Anleger wollen für das Inflationsrisiko entschädigt werden“, erläutert Quentin Fitzsimmons. „In letzter Zeit hat sich die Kurve jedoch verflacht. Dieses Phänomen tritt häufig zu Beginn eines Zinserhöhungszyklus auf, da sich das kurze Kurvenende nach oben verschiebt, während das lange Ende unverändert bleibt oder aufgrund der Besorgnis über die künftige Wachstumsentwicklung sinkt. Ein flacherer Kurvenverlauf bedeutet, dass die Märkte Zinserhöhungen der wichtigsten Zentralbanken in naher Zukunft erwarten.“

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Volatilität hoch bleibt, spricht für einen aktiven Ansatz bei der Anlage in Anleihen – zumal der Bloomberg Global Aggregate Total Return Index seit Jahresbeginn um mehr als 4,5% gefallen ist (Stand: 29. November). „Je nach Tempo, Zeitpunkt und Ausmaß der Zinserhöhungen durch die Zentralbanken ist eine Vielzahl von Entwicklungen denkbar“, erläutert Quentin Fitzsimmons. „Investoren müssen auch überlegen, für welche Anlageklassen sie sich entscheiden – wie viel Inflationsschutz sie wünschen und welche Kosten damit verbunden sind – und wie sie sich auf der Renditekurve positionieren wollen. In diesem Umfeld ist aktives Management gefragt.“

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