März 2023 / INVESTMENT INSIGHTS
2023 – Ein Jahr des Übergangs für die Schwellenländer
Wiedereröffnung Chinas hilfreich, aber allein nicht ausreichend
Die wichtigsten Punkte
- Wiedereröffnung Chinas: Die chinesische Wirtschaftstätigkeit ist während der Wiedereröffnung zurückgegangen - wie zuvor in Hongkong und Taiwan. Darauf dürfte jedoch ein Aufschwung folgen. In welchem Umfang hängt von der Erholung des Verbrauchs und des Immobilienmarktes ab.
- Geopolitik: Die Kriegslage in der Ukraine ist nach wie vor festgefahren und wird sich in absehbarer Zeit wohl kaum ändern. In diesem Jahr stehen mehrere entscheidende Wahlen an, die es zu beobachten gilt, u.a. in Polen, Thailand und der Türkei .
- Wachstum und Haushaltspolitik: Abgesehen von China erwarten wir verlangsamtes Wachstum in den Schwellenländern (EM), wegen der verzögerten Auswirkungen vorheriger Zinserhöhungen und der wohl rückläufigen Güternachfrage aus den Industrieländern. Dennoch dürften die Schwellenländer besser abschneiden als die Industrieländer.
- Geldpolitik und Inflation: Die Zentralbanken der Schwellenländer haben früher mit der Anhebung ihrer Zinsen begonnen als die Industrieländer und ihre Zinsanhebungszyklen sind daher weiter fortgeschritten. Einige stehen kurz vor dem Höchststand oder haben den Zyklus bereits abgeschlossen. Zinssenkungen werden eingepreist, was unserer Meinung nach etwas verfrüht ist, außer im Falle eines starken Konjunkturabschwungs.
- Zinsen, Kredit und Währungen: Da die Inflation anhält und die Zentralbankzinsen ihren Höchststand erreicht haben, sind die Aussichten für die lokalen Zinssätze attraktiv. EM-Währungen sind ebenfalls attraktiv bewertet, die Richtung dürfte jedoch vorgegeben werden vom U.S. Dollar.
Die Schwellenländer (EM) befinden sich dieses Jahr im Übergang, da sie die strukturellen Erschütterungen der Corona-Pandemie sowie die Invasion der Ukraine durch Russland verarbeiten müssen. Sie legten bisher einen kräftigen Start an den Tag, dank der Wiedereröffnung Chinas und der Märkte, die das goldene Szenario einer sinkenden Inflation und einer sanften Landung einpreisen. Dieses erfreuliche Ergebnis zu erreichen, ist jedoch ziemlich schwierig. Daher bestehen unserer Ansicht nach weiterhin Risiken. Wie sich all dies in den kommenden Monaten entwickelt, wird sich deutlich auf die Performance von EM-Anlagen im Jahr 2023 auswirken.
Wiedereröffnung Chinas
Die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft erfolgt sehr viel schneller als angenommen. Wie erwartet bremste die Aufhebung der Beschränkungen - wie in Hongkong und Taiwan in ähnlicher Situation - zunächst die Wirtschaftstätigkeit. Nach diesem anfänglichen Rückgang dürfte das Wirtschaftswachstum jedoch wieder anziehen; in welchem Maße, hängt allerdings von der Erholung des Verbrauchs ab. Zwar sind die Sparguthaben hoch, aber die Regierung hat den Verbrauchern im Vergleich zu anderen Ländern wenig Anreize geliefert. Das Vertrauen ist daher nach der Pandemie weiterhin eine unbekannte Größe. Auch wenn wir die Aussichten recht positiv einschätzen, wird sich der Aufschwung wohl zunächst auf inländische Dienstleistungen konzentrieren. Wir rechnen im Gefolge der Wiedereröffnung mit einer gewissen Inflation in China, da die Binnennachfrage sich erholt. Aber aufgrund des geringeren Drucks auf die Rohstoffpreise und der Flaute auf dem Arbeitsmarkt wird sich der Preisanstieg wohl in Grenzen halten.
Da die Auswirkungen der chinesischen Null-Covid-Politik auf die Weltwirtschaft nur moderat waren, wird sich die Wiedereröffnung wohl ebenfalls nur gemäßigt positiv auswirken. Mit 15% des globalen BIP wird 1 China allein schwerlich die weltweite Entwicklung verändern, könnte jedoch den für dieses Jahr erwarteten Abschwung etwas bremsen. Die Spillover-Effekte der Wiedereröffnung Chinas sind sehr spezifisch: Zu rechnen ist mit einer erhöhten Rohstoffnachfrage, vor allem bei Öl und Gas. Zudem ist von einem Anstieg anderer Importe und potenziell positiven Auswirkungen auf den Asien-Tourismus mit Thailand als Hauptnutznießer auszugehen.
Die Nettoauswirkungen der Wiedereröffnung Chinas auf die globale Inflation werden durch die schwachen Wachstumsaussichten beeinträchtigt. Unserer Ansicht nach werden die wichtigsten potenziellen Spillover-Effekte über den Rohstoffkanal laufen. Wenn jedoch die globale Konjunkturabschwächung gegenüber dem positiven Impuls durch die gestiegene chinesische Rohstoffnachfrage überwiegt, dürfte dies insgesamt eher zu einer geringeren Disinflation als zu einer höheren Inflation führen.
Geopolitik
Die Kriegslage in der Ukraine ist nach wie vor festgefahren und wird sich in absehbarer Zeit wohl kaum ändern. Der Krieg bleibt ein Risiko für die Schwellenländer, und jedes Anzeichen einer Eskalation oder eines erneuten Übergreifens auf die Energieversorgung könnte sich negativ auf die Anlegerstimmung in dieser Anlageklasse auswirken.
Auf der innerstaatlichen Seite stehen wichtige Wahlen in Polen, Thailand und der Türkei an, und in Chile wird eine neue verfassungsgebende Versammlung gewählt. Die für Mai angesetzten Parlamentswahlen in Thailand finden im Rahmen einer Verfassung statt, die das herrschende Establishment begünstigt. Dennoch könnten sie eine breitere soziale Unzufriedenheit und die Forderung nach Veränderungen signalisieren. Die Präsidentschaftswahlen in der Türkei sind für Mitte Mai geplant, könnten sich jedoch aufgrund der verheerenden Erdbeben, die das Land getroffen haben, verzögern. Wenn sie dann durchgeführt wird, ist diese Wahl genau zu beobachten, denn sie könnte einen Wendepunkt in der türkischen Sozial- und Wirtschaftspolitik bedeuten. In Polen stehen im Herbst Parlamentswahlen an, bei denen es wahrscheinlich zu einem Duell zwischen der EU-freundlichen Opposition und der nationalistischen Regierungskoalition kommen wird, die in einer Reihe von Fragen mit der EU in Konflikt geraten ist.
Überblick über die 2023 in den Schwellenländern anstehenden Wahlen
Wahlen können das Vertrauen der Märkte auf die Probe stellen und Aufschluss über die politische Ausrichtung geben.
In den Grenzmärkten sind folgende Wahlen geplant: Argentinien, Pakistan, Nigeria, Paraguay und Guatemala. Auch in Sri Lanka wird auf kommunaler Ebene gewählt: eine erste Bewährungsprobe für den neuen Präsidenten. Die Opposition in Venezuela wird Vorwahlen abhalten. Dies könnte eine geschlossenere Führung zur Folge haben, die Verhandlungen aufnimmt.
Wachstum und Haushaltspolitik
Abgesehen von China erwarten wir verlangsamtes Wachstum in den Schwellenländern, wegen der verzögerten Auswirkungen vorheriger Zinserhöhungen und der wohl rückläufigen Güternachfrage aus den Industrieländern. Der Abschwung dürfte jedoch geringer ausfallen als in den Industrieländern, so dass die Schwellenländer besser abschneiden könnten. Dadurch entsteht ein Potenzial für positive Differenzen zwischen den Einkaufsmanagerindizes (PMI). Innerhalb der Schwellenländer erwarten wir, dass die offenen Volkswirtschaften weitgehend dem Abwärtstrend der entwickelten Märkte folgen. Geschlossene und eher rohstoffbasierte Volkswirtschaften scheinen sich bisher besser zu verhalten. Die Wiedereröffnung Chinas dürfte Asien insgesamt stützen, aber viele dieser Länder würden durch einen abrupten Verfall der Güternachfrage aus den Industrieländern beeinträchtigt.
An der Haushaltsfront hat sich die Lage aufgrund von Einnahmezuwächsen generell verbessert, die Defizite sind jedoch im Vergleich zu den Vor-Pandemie-Ständen weiterhin etwas erhöht. Der Schuldenstand hat sich stabilisiert, wird jedoch angesichts der sich abschwächenden Wachstumsaussichten und der höheren Kapitalkosten nur schwer weiter sinken können. Im 1. Halbjahr 2022 haben sich erhebliche außenwirtschaftliche Ungleichgewichte aufgebaut, die zum Teil auf den Energieschock, jedoch auch auf die kräftige Binnennachfrage in einer Reihe von Ländern zurückgehen. Bei den Handelsbilanzdefiziten ist eine beginnende Stabilisierung und marginale Verbesserung festzustellen, wobei das rückläufige Wachstum dazu beitragen dürfte, einige dieser außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte zu beseitigen.
Geldpolitik und Inflation
Die Zentralbanken der Schwellenländer haben früher mit der Anhebung ihrer Zinsen begonnen als die Industrieländer und ihre Zinsanhebungszyklen sind daher weiter fortgeschritten. Einige stehen kurz vor dem Höchststand oder haben den Zyklus bereits abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund ist der zeitliche Ablauf nun die Hauptfrage, d.h. wie lange die Zentralbanken die Zinsniveaus beibehalten, bevor sie zu Zinssenkungen übergehen. In diesem Jahr sind Zinssenkungen im Prinzip unwahrscheinlich, es sei denn, es kommt zu einer weltweiten Rezession, die die US-Notenbank zu Zinssenkungen veranlasst.
Was die Inflation betrifft, so lässt der Druck auf die vorgelagerten Bereiche im Einklang mit dem Ölpreis nach und auch die Lebensmittelpreise werden langsam rückläufig. Die PMI-Preise lassen insgesamt einen weiteren Rückgang der Inflation im Zeitverlauf vermuten, auch wenn sie sich immer noch am oberen Ende der Vor-Pandemie-Spanne befinden. Brasilien und Chile legen beim Abbau der Kerninflation das höchste Tempo vor. In Mittel- und Osteuropa ist der Rückgang der Kerninflation im Zeitverlauf am geringsten, könnte sich jedoch verstärken, wenn die Energiepreise weiter sinken. Der Lohndruck scheint in dieser Region jedoch am höchsten zu sein.
Zinsen, Kredit und Währungen
Die Aussichten für die lokalen Zinssätze sind unserer Ansicht nach überzeugend, da die Zinssätze der Zentralbanken ihren Höchststand erreicht haben und eine Reihe von Rückenwindfaktoren die Disinflationsthematik unterstützen. Dazu gehören nachlassende Ängste vor einer Energiekrise, eine Normalisierung der Lebensmittelversorgung und Wachstumsindikatoren, die Anzeichen einer Verlangsamung zeigen. Auch die verzögerten Auswirkungen der geldpolitischen Straffung dürften sich langsam bemerkbar machen und unterstützend wirken. In Ländern mit hohem Lohnwachstum, vor allem in Mittel- und Osteuropa, könnte die Inflation jedoch noch länger hoch bleiben. Allgemein erwarten wir, dass sich die Inflation auf einem im historischen Vergleich relativ hohen Niveau einpendelt. Anderswo sind die Bewertungen weiterhin günstig, da die Anleiherenditen auf den höchsten Ständen seit mehr als zehn Jahren liegen.
Die Aussichten für Schwellenländeranleihen sind ebenfalls positiv, allerdings achten wir auf sinkende Bewertungen und das Rückschlagspotenzial, falls eine weiche Landung in Zweifel steht. Die Anlageklasse hat im bisherigen Jahresverlauf eine kräftige Erholung erlebt, die durch die Wiedereröffnung Chinas und eine Entspannung der Finanzierungsbedingungen in den USA unterstützt wurde. Die starken Zuflüsse und das bessere Marktumfeld haben die Emittenten von Schwellenländeranleihen veranlasst, ihre Emissionen für das laufende Jahr vorzuziehen. Aber die Bewertungen erreichen anscheinend nicht das hochwertige Marktsegment. Daher gehen wir davon aus, dass ein zunehmender Teil der Rendite in dieser Anlageklasse von Papieren mit geringerer Bonität generiert wird, wobei die Titelauswahl eine große Rolle spielt.
Bei Schwellenländer-Währungen erwarten wir, dass sich die Disinflation in diesem Jahr als unterstützender Faktor erweist. Auch die Bewertungen bleiben insgesamt attraktiv, wenngleich die jüngste Stärke dazu geführt hat, dass einige wenige Währungen teuer zu werden beginnen, vor allem der mexikanische Peso und die Tschechische Krone. Das Momentum hat sich zuletzt gegen den US-Dollar gedreht, und die Prognosen besagen zunehmend, dass wir nach Jahren beträchtlicher Stärke mittelfristig an einen Wendepunkt kommen. Wir bleiben in dieser Frage vorsichtig optimistisch, vergessen jedoch nicht, dass ein rezessionsähnliches Szenario dem Dollar zugutekommen könnte.
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