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August 2022 / INVESTMENT INSIGHTS

Value-Anlagen: Interview mit Sebastien Mallet

Erkenntnisse aus den letzten zehn Jahren und die Gründe, warum ich für die nächsten zehn Jahre zuversichtlich bin

Sebastien Mallet verwaltet nun seit etwas mehr als zehn Jahren die Global Value Equity-Strategie. Wir trafen ihn, um zu erfahren, was sein Interesse für Value-Anlagen weckte, wie er mit dem für Value-Anlagen schwierigen Umfeld nach der globalen Finanzkrise umging und wie er das Wesen dieses Anlagestils beschreibt. Er verrät uns, welche wichtigen Lektionen er gelernt hat und warum nach seiner Überzeugung die nächsten zehn Jahre für value-orientierte Anleger vielversprechender aussehen. 

Was haben Sie in den ersten Jahren Ihrer Investmentkarriere gelernt?  

Wenn ich auf meine Investmentkarriere zurückblicke, war die TMT-Blase sicher ein prägendes Ereignis, das mir zeigte, wie wichtig ein robustes Bewertungsmodell ist. Die globale Finanzkrise war auch sehr lehrreich. Nach dem Kollaps im Jahr 2008 löste die enorme Liquidität, die in die Finanzmärkte gepumpt wurde, eine drastische Wende aus. Im Jahr 2009, als ich Analyst für internationale Mid-Caps bei T. Rowe Price war, gewann der S&P European Small Cap Index unglaubliche 52,8%.1 Die einzige Möglichkeit, den Index zu übertreffen, bestand darin, Aktien aufzuspüren, deren Wert sich potenziell verdoppeln oder sogar verdreifachen konnte. Damals habe ich sehr viel darüber gelernt, wann der richtige Zeitpunkt ist, um Risiken einzugehen. Dies ist noch heute der Ausgangspunkt für meinen Anlageansatz: eine klare Bewertungsdisziplin, aber auch ein gewisses Engagement in risikoreicheren, niedrig bewerteten Aktien.  

Die zehn Jahre, seit Sie die Strategie verwalten, waren eine extrem harte Zeit für Sie, weil sich Growth-Aktien fast immer besser entwickelten als Value-Titel. Hat Ihre Entschlossenheit darunter gelitten? 

Die Zeit nach der globalen Finanzkrise war sehr schwierig für Value-Manager, insbesondere die Jahre von 2017 bis 2020, als die Begeisterung des Marktes für Growth-Aktien besonders groß war. Ich bin gelernter Ökonom, deshalb habe ich immer ein Auge auf das gesamtwirtschaftliche Gesamtbild. Daher wusste ich, warum Growth-Aktien gut liefen (es lag am Umfeld aus wenig Wachstum, einer niedrigen Inflation und niedrigen Zinsen). Doch ich habe meinen Glauben an Value-Titel nie verloren, denn ich finde, die Vergangenheit zeigt, dass Value-Titel häufiger besser abschnitten als Growth-Titel als umgekehrt.  

... ich habe meinen Glauben an Value-Titel nie verloren, denn ich finde, die Vergangenheit zeigt, dass Value-Titel häufiger besser abschneiden als Growth-Titel als umgekehrt.

Wichtig war dabei die Unterstützung, die ich von Kollegen und vom Management erhielt – nicht nur von jenen mit einem value-orientierten Anlagestil. T. Rowe Price wird von Anlegern geführt, die verstehen, was Style-Investing bedeutet. Auch das Research-Team konzentrierte sich weiter unbeirrt darauf, fundierte Einblicke, Erkenntnisse und Ideen für das gesamte Spektrum an Anlagestilen bereitzustellen, nicht nur für die Growth-Anleger in unserem Unternehmen. Das obere Management erinnerte mich stets daran, dass ein konsistenter Anlagestil und eine langfristige Perspektive notwendig sind. Allen war klar, dass ich den breiten Markt nicht übertreffen konnte, wenn der Gegenwind für den Anlagestil so stark war. Stattdessen wurde ich ermuntert, alles für eine attraktive Erfolgsbilanz für Value-Anlagen zu tun.  

Wie würden Sie Ihren Anlagestil charakterisieren?  

Mein Anlagestil konzentriert sich sehr stark auf die „Qualität der Chance, nicht die Qualität des Unternehmens“. Ich investiere über das gesamte Value-Spektrum hinweg und profitiere deshalb von der Tiefe und der Breite unseres Research. Dies hilft mir auch, eine – wie ich sie nenne – „Performance in jeder Lage“ zu erzielen. 

Mein Ziel ist es, ein Portfolio mit 80 bis 100 der besten Value-Ideen aufzubauen, die wir weltweit finden können. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den attraktivsten Chancen mit asymmetrischem Risiko-Rendite-Profil. Ich betrachte eine Vielzahl von Szenarien von „Haussen“ bis zu „Baissen“, wobei das Abwärtspotenzial einer Aktie stets mein Ausgangspunkt ist. Ich bin immer gern bereit, Risiken einzugehen, wenn ich dafür auch belohnt werde. Wichtig ist, dass ich verstehe, warum eine Aktie günstig ist, warum es einen Konflikt geben könnte und warum unsere Analyse uns sagt, dass ein Unternehmen nicht am Ende ist und eine gute Chance hat, sich zu erholen. 

Je nach Art der Aktie stütze ich mich auf unterschiedliche Bewertungskennzahlen. Bei Titeln von höherer Qualität lege ich Free-Cashflow-Kennzahlen zugrunde, bei eher zyklischen und risikoreicheren Chancen dagegen umsatz- und asset-basierte Bewertungsansätze. Ich nutze unterschiedliche Arten von Value-Ideen (defensive, aggressive), da sie in unterschiedlichen Phasen des Aktienzyklus unterschiedlich gute Ergebnisse erbringen können.  

Was waren Ihre größten Anlageerfolge, aber auch Anlagefehler, und was haben Sie daraus gelernt? 

Der lohnendste Aspekt war das Performancemuster in den letzten zehn Jahren und wie breit abgestützt es war. Was die Attribution gemessen an unserem Value-Universum betrifft, haben die meisten Marktkapitalisierungen, Sektoren und Länder positive Beiträge geleistet.  

Rückblickend muss ich einräumen, dass es Zeiten gab, in denen ich risikoreichere Titel beharrlich verteidigte – trotz Anzeichen, dass die Anlageargumente immer weniger griffen. Ich lernte, dass es gewöhnlich besser ist, „frühzeitig zu verkaufen“, wenn man von einem Titel nicht mehr vollends überzeugt ist. Am anderen Ende des Value-Spektrums lernte ich zudem, das Potenzial für Zinseszinseffekte mehr zu schätzen, die bei höherwertigen Unternehmen erzielt werden können. Findet man das richtige Unternehmen, kann man ihm lange treu bleiben. Ich bin davon überzeugt, dass Anleger dies ausnutzen und solche Titel auf Dauer halten sollten.  

Findet man das richtige Unternehmen, kann man ihm lange treu bleiben.

Wie schätzen Sie das Marktumfeld für Value-Titel in der nächsten Zeit ein?  

Das Umfeld für globale Aktien ist aktuell zwar unsicher, wir glauben aber, dass sich die Aussichten für Value-Anlagen insgesamt gebessert haben. Die Reaktionen auf die Coronavirus-Pandemie und den Krieg zwischen Russland und der Ukraine haben die Lage komplett verändert. Wir haben miterlebt, wie sich die moderne Geldpolitik weiterentwickelte und „Helikoptergeld“ wie geplant direkt in den Taschen der Menschen landete. Diese Politik scheint die Tür zur stärkeren Monetisierung von Haushaltsdefiziten zu öffnen. Der Krieg in der Ukraine wiederum ist eine Mahnung, wie wichtig es ist, sein eigenes Land zu schützen. Russlands Präsident Wladimir Putin hat meiner Ansicht nach die Deglobalisierung beschleunigt.  

Wir sind außerdem davon überzeugt, dass Wachstum omnipräsenter sein wird, wenn der Abbau von Ungleichheiten und die Anregung des Konsums ganz oben auf der Agenda stehen. Wahrscheinlich werden die Inflation und die Zinsen in nächster Zeit höher bleiben – ein günstiges Umfeld für value-orientierte Bereiche.  

Wahrscheinlich werden die Inflation und die Zinsen höher bleiben – ein günstiges Umfeld für value-orientierte Bereiche.

Gibt es irgendwelche bestimmten Themen, auf die Sie einen Schwerpunkt legen und die an Bedeutung gewinnen werden? 

Wir wenden sehr viel Zeit für die Beurteilung von Unternehmen aus Branchen auf, die zur traditionellen „Old Economy“ zählen und die großen Nutznießer der langfristigen Trends sein könnten, die sich gerade anbahnen. Einer dieser Trends ist die „grüne Agenda“. Der Übergang zu einer emissionsfreien Welt wird nur mit bestehenden Unternehmen der „Old Economy“ gelingen, die den Wandel vorantreiben. Für 80% der Kohlendioxidemissionen sind die Sektoren Energie, Grundstoffe, Versorger, Transport und Industrie verantwortlich, die einen sehr großen Teil des Value-Index ausmachen. Seit der globalen Finanzkrise litten diese Branchen erst unter Überkapazitäten und dann unter zu geringen Investitionen. Doch sie verschmutzen die Umwelt zu stark, und deshalb sind massive Investitionen für den Umbau nötig. In diesen Branchen wird es Gewinner und Verlierer geben. Wir müssen herausfinden, wer die Gewinner sein werden.  

Die Deglobalisierung ist zudem ein Thema, das durch die Lieferkettenunterbrechungen infolge der Pandemie und des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine stärker in den Vordergrund rückt. Dies wird zur Nagelprobe für die internationalen Strukturen und führt Regierungen und Unternehmen deutlicher vor Augen, welchen Abhängigkeiten sie unterliegen. Die politischen Entscheider denken zunehmend um. Im Fokus steht nun nicht mehr der wirtschaftliche Nutzen der Globalisierung (billigere, effizientere Produktion), sondern die Regionalisierung und die Rückverlagerung/Rückholung von Industriezweigen, um zu gewährleisten, dass sie die Bedürfnisse im Inland decken können. Diese Strömungen könnten die Globalisierung bremsen oder sogar umkehren. Wir müssen uns darauf vorbereiten und entsprechende Anlagen auswählen. 

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