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Das „Schattenbankensystem“ erschwert den Kurs der Fed

Wachsende Kreditvergabe außerhalb des Bankensektors veranlasst Banken dazu, ihre Risikopositionen umzuschichten

Juli 2024

Bei unseren Diskussionsrunden im Rahmen der Fixed Income Policy Week analysieren die Teilnehmer Dutzende von Diagrammen, die unsere Portfoliomanager, Analysten und Ökonomen zu einer Reihe von Marktthemen präsentieren. Ein Diagramm, das mir dabei kürzlich besonders auffiel, zeigte das rasche Wachstum der Kreditvergabe durch Nichtbanken in den USA in den letzten acht Jahren und verdeutlichte die möglichen Konsequenzen dieser Entwicklung für Anleger. Zwar hat die traditionelle Kreditvergabe durch Banken ebenfalls zugenommen, doch der Umfang der Kredite, die von Nichtbanken im „Schattenbankensystem“ vergeben werden, ist mit deutlich größerem Tempo gewachsen. Interessanterweise wurden mir bei meinen Kundenbesuchen vor Ort in jüngster Zeit etliche Fragen zu diesem Thema gestellt.

Diese Entwicklung hat in den Finanzmedien erhebliche Aufmerksamkeit erregt, doch ich wollte wissen, was sie langfristig für das Bankensystem bedeutet. Ich wandte mich an den Kreditanalysten Pranay Subedi, der im Team für US-Banken und -Finanzunternehmen tätig ist und viel Zeit und Energie darauf verwendet hat, die Wechselwirkungen zwischen dem geldpolitischen Kurs der Fed und dem Bankensystem zu analysieren. Hier ist eine Zusammenfassung unseres Gesprächs.

Welche Faktoren sind für das Wachstum der Kreditvergabe durch Nichtbanken verantwortlich?

Seit der globalen Finanzkrise wird ein wachsender Anteil der Kredite von Nichtbanken wie Vermittlern von Hypothekendarlehen und Fonds für Privatkredite vergeben. Dies ist ein gut dokumentierter Trend, der hauptsächlich auf eine Kombination aus zwei Faktoren zurückzuführen ist: die strengere Regulierung der Banken und die Tatsache, dass Nichtbanken dank technologischer Verbesserungen und einer größeren Kapitalbasis besser zur Kreditvergabe in der Lage sind.

Die gängige Meinung lautet zwar, dass Banken durch Disintermediation aus dem Markt gedrängt werden, doch in Wirklichkeit ändert sich derzeit die Rolle der Banken in der Wirtschaft.

Können Sie kurz erklären, wie Banken wirtschaftlichen Mehrwert schaffen?

Da die Banken ihre Geschäftsmodelle anpassen, ändert sich auch die Art und Weise, wie sie Mehrwert schaffen.

Abgesehen von den Gebührenerträgen und den Aktivitäten an den Kapitalmärkten erfolgt die Wertschöpfung im Kerngeschäft der Banken auf beiden Seiten ihrer Bilanz:

  • Aktivseite: Banken vergeben Kredite und schaffen dabei einen Mehrwert, indem sie die Kreditnehmer überwachen und nichtöffentliche Informationen verarbeiten.
  • Passivseite: Banken finanzieren sich durch Einlagen, für die sie weniger als den Marktzins zahlen, und bieten den Einlegern damit einen Mehrwert: den Zugang zu einer „sicheren“ Wertaufbewahrung und zum Zahlungssystem.

Diese beiden Kanäle stehen in Wechselwirkung zueinander. Beispielsweise erlauben sie den Banken, langfristige, illiquide Kredite durch Sichteinlagen zu finanzieren, bei denen ihrer Ansicht nach nicht mit einem plötzlichen, massiven Abzug von Geldern zu rechnen ist.

Diese Quellen der Wertschöpfung setzen voraus, dass Banken eine Kombination aus Zins-, Liquiditäts- und Kreditrisiken eingehen. Das Wachstum der Kreditvergabe durch Nichtbanken hat dazu geführt, dass Banken auf der Aktivseite eine geringere Wertschöpfung erzielen und in ihren Bilanzen geringere Kreditrisiken aufbauen.

Wie hat sich die Risikobilanz der Banken entwickelt?

Viele Banken reagieren auf diese Veränderungen durch die Übernahme von mehr Liquiditätsrisiken. Diese Verlagerung stellt für die Inhaber von Anleihen einen wichtigen Wandel dar.

Obwohl das Kreditrisiko aus dem Bankensystem abgezogen wird, haben die Einlagen in den USA ein rasantes Wachstum verzeichnet: Der Umfang der Bankeinlagen, gemessen als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts (BIP), ist von etwa 35% in den 1990er-Jahre auf heute über 60% gestiegen.[1] Besonders wichtig ist, dass in diesem Zeitraum auch die größeren, nicht versicherten Einlagen gewachsen sind. Einlagen entstehen über zwei wesentliche Kanäle:

  • Kreditwachstum
    Gemessen als Prozentsatz des BIP ist der Umfang der Bankkredite seit den 1990er-Jahren von 30% auf 44%1 gestiegen. Kredite schaffen Einlagen.
  • Quantitative Lockerung (QE)
    Durch mehrere Runden der quantitativen Lockerung (Quantitative Easing, QE) hat die Fed ihre Bilanz erheblich ausgeweitet. Auf diese Weise werden Bankreserven geschaffen, und unter bestimmten Bedingungen können dadurch Einlagen entstehen.
Die Kreditvergabe durch Nichtbanken ist sprunghaft angestiegen

(Abb. 1) Wachstum der Kreditvergabe durch Nichtbanken und Banken seit 2016.

Die Kreditvergabe durch Nichtbanken ist sprunghaft angestiegen

Im Fall von QE emittieren die Banken, die jetzt über umfassende Reserven verfügen, kurzfristige Schuldtitel, indem sie nicht versicherte Einlagen annehmen. Dadurch können sie die Laufzeiten ihrer Aktiva und Passiva aufeinander abstimmen und ihr Zinsrisiko minimieren.

Gleichzeitig hat sich die Liquiditätssituation der Banken durch QE erheblich verbessert. Schließlich wurden ihre weniger liquiden Anleihen durch hochliquide Bankreserven ersetzt. Im Idealfall würden Banken diese Liquidität für die Vergabe von Krediten nutzen, doch wie bereits erwähnt wird ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe durch die strengere Regulierung und die wachsende Konkurrenz durch Nichtbanken beschränkt.

Stattdessen nutzen die Banken ihre Liquiditätsposition für Zusagen zur Bereitstellung von Liquidität, etwa in Form von revolvierenden Kreditfazilitäten. Wie eine genauere Analyse dieser Fazilitäten zeigt, sind sie in der Regel vorrangig und besichert und weisen nur ein geringes Kreditrisiko auf. Nebenbei bemerkt werden diese Fazilitäten oft an dieselben Unternehmen vergeben, an die die Banken bei der Kreditvergabe Marktanteile verlieren, darunter Vermittler von Hypothekendarlehen und Fonds für Privatkredite.

Diese Fazilitäten sind zwar nur mit minimalen Kreditrisiken behaftet, bergen für die Banken jedoch ein Liquiditätsrisiko. Wenn das Bankensystem durch das QE-Programm der Fed mit Liquidität überschwemmt wird, weiten die Banken die Vergabe dieser Kreditlinien aus. Wenn die Fed jedoch mit der quantitativen Straffung (Quantitative Tightening, QT) beginnt, wird das Bankensystem diese Fazilitäten möglicherweise nicht schnell genug reduzieren. Die fortschreitende quantitative Straffung wird dem Bankensystem schließlich Liquidität entziehen, wodurch die liquiden Mittel wegfallen, auf deren Basis die Banken ihre revolvierenden Kreditfazilitäten vergeben.

Das Risiko für die Banken besteht darin, dass ihre nicht versicherten Einlagen abfließen könnten, während die revolvierenden Kreditfazilitäten in Anspruch genommen werden – und dies in einer Zeit, in der die quantitative Straffung ihre Liquiditätsposition verringert.

Wie könnte sich das Zusammenspiel von QT und der zunehmenden Kreditvergabe außerhalb des Bankensystems auswirken?

Es wird wahrscheinlich zunächst zu einer Verteuerung und schließlich zu einem langsameren Wachstum der revolvierenden Kreditfazilitäten führen. Alternative Finanzierungsquellen wie Collateralized Loan Obligations (CLOs) und Lebensversicherungsgesellschaften könnten bis zu einem gewissen Grad als Ersatz dienen, werden aber keine so flexiblen oder preisgünstigen Finanzierungen wie Banken ermöglichen können.

Wie es bei Liquiditätsrisiken häufig der Fall ist, könnte eine Reduzierung der Reserven des Bankensystems unter das niedrigste vertretbare Niveau (lowest comfortable level of reserves , LCLoR) zu Störungen an den Märkten für kurzfristige Finanzierungen führen – wie zuletzt im Jahr 2019.

Wie würden die Aufsichtsbehörden auf Spannungen im Finanzsystem der Nichtbanken reagieren?

In Stressphasen am Markt ist häufig eine erhöhte Nachfrage nach Liquidität zu verzeichnen. Mögliche Auslöser für diese Liquiditätsnachfrage wären im Fall von Finanzunternehmen außerhalb des Bankensektors eine Nachschussforderung an einen Investor mit hohem Fremdkapitaleinsatz, ein direkter Kreditgeber, der eines seiner eigenen Portfoliounternehmen unterstützen möchte, oder ein Investmentvehikel für Privatkredite, das eine Anlagechance entdeckt. Diese Kreditgeber außerhalb des Bankensektors würden dann Banken in Anspruch nehmen, um ihren Liquiditätsbedarfs zu decken – und dies gerade dann, wenn die Banken selbst mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben, möglicherweise aufgrund eines verstärkten Abzugs von Einlagen.

Aufgrund dieses Liquiditätsbedarfs muss die Fed reagieren, indem sie neue Liquidität für das Finanzsystem bereitstellt – entweder direkt für die Banken in Form von neuen Reserven oder für die Nichtbanken wie Geldmarktfonds oder Emittenten am Markt für Unternehmensanleihen (wie bereits nach dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie). In der Vergangenheit haben sich diese Maßnahmen als äußerst wirksam erwiesen, um Liquiditätsengpässe zu beheben. Auch wenn die Spannungen möglicherweise zuerst bei Nichtbanken auftreten, wird die Reaktion der Aufsichtsbehörden sehr wahrscheinlich über das Bankensystem laufen.

Der Zusammenhang zwischen der steigenden Kreditvergabe durch Nichtbanken und der Fed

Die Fed will vermeiden, dass die Reserven des Bankensystems unter den LCLoR fallen, und wäre wahrscheinlich gezwungen, die quantitative Straffung zu beenden, um diese Entwicklung zu vermeiden (oder sie zu verringern, falls sie eintritt). Dieser Zusammenhang zwischen dem Wachstum der Kreditvergabe durch Nichtbanken, dem Bankensystem und der quantitativen Straffung ist ein wichtiger Grund, warum ich ein unerwartet frühes Ende der quantitativen Straffung für wahrscheinlich halte. Diese Erkenntnis ist auch ein hervorragendes Beispiel dafür, wie unsere globale Kreditresearch-Plattform in der Lage ist, über die allgemein bekannten Markttrends hinauszugehen und auch die langfristigen Konsequenzen dieser Entwicklungen zu untersuchen.

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