Oktober 2021 / INVESTMENT INSIGHTS
Die Herausforderungen einer beständigen kurzlebigen Inflation
Positionierung gegen mögliche Inflationsrisiken im Anleihebereich
Auf den Punkt gebracht
- Die Anleger sollten eine höhere Prämie für die weiterhin beharrlich hohe Inflation einrechnen.
- Die Zentralbanken einiger Industrieländer könnten den Anstieg der Preise nutzen, um die Inflationserwartungen nach oben zu korrigieren, nachdem die Ziele jahrelang verfehlt wurden.
- Ein kluges, aktives Management ist nach unserer Meinung entscheidend, um die Folgen der Inflation gut zu bewältigen.
Die Inflation steigt weltweit immer weiter und lässt Zweifel an der Beurteilung aufkommen, dass der aktuelle Teuerungsschub nur von kurzer Dauer sein wird. Bei unseren letzten Sitzungen zur Anlagepolitik hat das Investment Team über die aktuelle Inflationsdynamik gesprochen und erörtert, wie die Zentralbanken darauf reagieren und – vor allem – wie Anleiheanleger sich für die nächste Zeit positionieren könnten.
Zeit für eine höhere Inflationsprämie
In den Industrieländern ist die Inflation in den letzten Monaten stark gestiegen. Schuld daran waren die Wiedereröffnung der Wirtschaft, die höheren Energiepreise und Engpässe in den Lieferketten. In der Eurozone und Großbritannien hat die Teuerung fast den höchsten Stand seit zehn Jahren erreicht, während in den USA die Verbraucherpreise erstmals seit 2008 um mehr als 5% gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind.
„Was die Inflation angeht, hat in diesem Jahr fast jeder daneben gelegen – sie bleibt beharrlich hoch und erreicht neue Hochstände“, erklärt Arif Husain, Portfoliomanager und Head of International Fixed Income. „In der aktuellen Situation wäre es vielleicht klug, wenn Anleiheanleger eine höhere Prämie für Inflationsrisiken einrechnen“, fährt Husain fort.
Bislang gibt es an den Anleihemärkten, wo die Zinsen auf Rekordtiefs gesackt sind, kaum Anzeichen dafür, dass dies geschieht. „Der Anleihemarkt scheint der festen Überzeugung zu sein, dass dieser Inflationsschub nicht von Dauer sein wird. Doch diese Sichtweise wirkt zunehmend risikobehafteter, je länger die Preise hoch bleiben“, warnt Arif Husain.
In den Industrieländern haben die Zentralbanken bislang kaum auf den Inflationsanstieg reagiert, denn wie ihre Prognosen zeigen, gehen sie davon aus, dass der Druck nur vorübergehend besteht und im nächsten Jahr abnimmt. Zum Beispiel erwartet die Europäische Zentralbank (EZB), dass die Gesamtinflation von durchschnittlich 2,2% in diesem Jahr auf 1,7% im Jahr 2022 sinken wird.
Chance für Zentralbanken, die Inflationserwartungen anzupassen
Aktuell signalisieren die Zentralbanken lediglich, dass sie die während der Krise gewährte Unterstützung allmählich zurückfahren wollen – von einem Ende der expansiven Geldpolitik oder gar von einer Straffung sprechen sie aber noch nicht .
Es besteht die Gefahr, dass die Zentralbanken im Kampf gegen die Inflation den Anschluss verlieren – auch wenn dies in manchen Fällen beabsichtigt sein könnte. In den letzten zehn Jahren steckten viele Industrieländer in einem Umfeld fest, das von einer niedrigen Inflation geprägt war, und das obwohl sich die Zentralbanken größte Mühe gaben, den Druck auf die Preise zu steuern. „Der derzeit starke Preisauftrieb könnte einigen Zentralbanken die Chance bieten, die Inflationserwartungen noch oben anzupassen, nachdem sie ihre Inflationsziele jahrelang verfehlt haben“, meint Arif Husain.
Die EZB könnte eine dieser Banken sein, dürfte der jüngste starke Anstieg der Energiepreise in Europa die Inflation doch vorübergehend über ihr 2%-Ziel treiben. „Die EZB wird sich wohl nicht gegen den vorübergehenden Inflationsdruck durch die höheren Energiepreise stemmen, sondern vielmehr an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten, um Zweitrundeneffekte zu erzielen“, erklärt Arif Husain.
Mögliche politische Veränderungen in Europa könnten die Inflation zusätzlich antreiben, was inflationsgebundene Anleihen in der Region unseres Erachtens noch attraktiver macht. Beispielsweise dürfte die nächste Koalitionsregierung in Deutschland die Ausgaben erhöhen, was eine stärkere Inflation auslösen könnte.
In Anleiheportfolios von potenziellen Inflationsrisiken profitieren
Flexibilität ist seit Anfang 2021 das A und O, um mit der Inflation zurechtzukommen. Wir gehen davon aus, dass dies so bleibt. Im Laufe des Jahres zeigte sich, dass nicht alle Instrumente zur Inflationsminderung jederzeit gleich gut funktionieren. Dies ist eine deutliche Mahnung, dass nur bei einem dynamischen Vorgehen das ganze Spektrum an Möglichkeiten und Chancen genutzt werden kann.
In den ersten drei Monaten des Jahres schnitten untergewichtete Durationspositionen in Industrieländern wie Großbritannien und den USA meist gut ab, weil die Renditekurven aufgrund der steigenden Inflationserwartungen steiler verliefen. Doch als die Renditen im zweiten Quartal allmählich sanken, funktionierten diese Positionen nicht mehr. Im Juni, als die US-Notenbank endlich eingeräumt hatte, dass Inflation droht, schienen sich Anlagen in kurzfristigen inflationsgebundenen US-Anleihen auszuzahlen.
Wichtig war in diesem Jahr auch, über den Tellerrand, das heißt über die Industrieländer, hinauszublicken. Zum Beispiel erwiesen sich Untergewichtungen in der Duration in einigen osteuropäischen Ländern wie Polen und Ungarn, wo der Inflationsdruck wuchs, zuweilen auch als vorteilhaft.
Aktuell sind wir der Auffassung, dass sich das Inflationsrisiko durch ein Engagement in inflationsgebundenen Anleihen der Eurozone steuern lassen könnte, weil die Inflationserwartungen in Europa im Vergleich zu den USA im Großen und Ganzen noch immer zu niedrig sind. Eine andere Möglichkeit, mit der Inflationsgefahr umzugehen, könnten Positionen mit kurzer Duration in Ländern sein, in denen der Preisauftrieb möglicherweise eher strukturelle Gründe hat. Eines dieser Länder ist Großbritannien, wo der Mangel an Waren aus aller Welt und das knappe Arbeitskräfteangebot zum Jahresende hin die Preise weiter steigen lassen dürften.
„Ich bin der Ansicht, dass diese beständige kurzlebige Inflation in den verschiedenen geografischen Regionen zu jeweils unterschiedlichen Zeiten ein Thema sein wird. Das heißt, wenn sie in einer Region sinkt, könnte sie in einer anderen steigen. Es ist daher wichtig, die Bedingungen und die Situation genau im Auge zu behalten und sich darauf einzustellen, wenn sich etwas ändert“, sagt Arif Husain.
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