Juni 2021 / INVESTMENT INSIGHTS
Der Boom am US-Wohnimmobilienmarkt könnte für steigende Zinsen sorgen
Die Rückkehr des Wohnungsbaus als Konjunkturtreiber verschafft der Fed einen größeren Spielraum.
Auf den Punkt gebracht
- Die Post-COVID-Erholung dürfte ganz anders verlaufen als der Aufschwung nach der globalen Finanzkrise – was unter anderem dem Boom am US-Wohnimmobilienmarkt zuzuschreiben ist.
- Die Rückkehr des Wohnimmobilienmarktes als wichtiger Wirtschaftsfaktor könnte der US-Notenbank kurz- bis mittelfristig mehr Spielraum für Zinserhöhungen verschaffen.
- Auf lange Sicht könnten ein Angebotsüberhang am Immobilienmarkt und ein langsames Bevölkerungswachstum den „natürlichen“ Zinssatz niedrig halten.
Die Hauspreise in den USA ziehen wieder an, woran sich in nächster Zeit nichts ändern dürfte. Daher dürfte die Post-COVID-Erholung ganz anders verlaufen als der Aufschwung nach der globalen Finanzkrise. Damals verzeichnete das Land niedrige Wachstumsraten aufgrund der schleppenden Nachfrage, während die Zinsen weiter sanken. Die Rückkehr des Wohnimmobilienmarktes als wichtiger Wirtschaftsfaktor könnte der US-Notenbank mehr Spielraum für kurz- bis mittelfristige Zinserhöhungen verschaffen. Auf längere Sicht dürften Zinserhöhungen indes aus demografischen Gründen eingeschränkt sein.
Wie stark sich der US-Wohnungsmarkt entwickelt, hängt von Angebot und Nachfrage ab. Nach der globalen Finanzkrise wurde die Aktivität der US-Bauindustrie fast zehn Jahre lang durch zwei wesentliche Faktoren ausgebremst: Erstens löste die Finanzkrise eine allgemeine Entschuldung aus. Denn die Krise hatte sowohl Kreditgeber als auch Kreditnehmer bilanziell stark angeschlagen zurückgelassen. Seinerzeit mussten die Bankinstitute nicht nur eine strengere Regulierung, sondern auch strengere interne Anforderungen an das Risikomanagement erfüllen, was das Angebot an Hypothekarkredite einschränkte. Zugleich entschieden sich viele Kreditnehmer zum Schuldenabbau, da sich ihre Beschäftigungsaussichten verschlechtert hatten und ihr Immobilienvermögen ins Minus gerutscht war.
Zweitens verzeichnete der Markt für Eigenheime in den Boomjahren vor der globalen Finanzkrise einen erheblichen Angebotsüberhang, der erst nach fast zehn Jahren abgebaut war.
2019 hatte ich argumentiert, dass die Ära der privaten Entschuldung mit dem Abbau des Immobilienüberhangs und der besseren Finanzlage der privaten Haushalte beendet und die Annahme einiger Ökonomen, dass wir in eine Ära der „nachhaltigen Stagnation“ eintreten, wohl falsch sei. Damals ging ich davon aus, dass der Bausektor schnell Fahrt aufnehmen würde. Durch den unerwarteten Schock, den die Corona-Pandemie im letzten Jahr ausgelöst hat, hat sich zwar der Zeitpunkt verschoben, zu dem dieses Szenario eintritt. An meinem Szenario selbst hat sich jedoch seitdem nichts geändert. So kehrt der Bausektor heute mit voller Kraft zurück, gestützt auf die solide Finanzlage der privaten Haushalte, die sich durch die fiskalpolitischen Programme und höhere Sparquoten in der Pandemie zusätzlich verbessert hat.
Die Bauindustrie kehrt zurück
Abbildung 1: Die Investitionen in den Wohnungsbau erholen sich deutlich
Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Wohnimmobilien befeuert
Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Wohnimmobilien in zweierlei Hinsicht befeuert: Zum einen ist der Traum vom Eigenheim durch die niedrigeren Zinsen erschwinglicher geworden, und zum anderen haben die Lockdowns bei vielen Menschen den Wunsch nach mehr Platz geweckt. Durch die Kombination dieser beiden Faktoren ist die Nachfrage nach Wohnimmobilien deutlich gestiegen.
In Bezug auf die Finanzierungsseite weisen die Banken heute nicht nur solide Bilanzen, sondern auch hohe Barbestände auf, was für ein intaktes Angebot an Hypothekarkrediten sorgt. Bargeld bringt den Banken kaum Zinsen ein. Daher suchen sie nach Möglichkeiten, höhere Zinseinnahmen zu generieren – beispielsweise durch die Vergabe von Hypothekarkrediten. Auch wenn die Banken nach wie vor noch strenger reguliert werden als vor der Finanzkrise, scheinen sie doch gut aufgestellt, um die Erholung des Wohnungsmarktes zu stützen.
Damit sich das Hypothekarkreditwachstum weiter beschleunigen kann, müssen die wirtschaftliche Unsicherheit und die Arbeitslosigkeit sinken, damit die Banken bereit sind, Risiken einzugehen. Wir glauben, dass die beschleunigten Impfkampagnen und die fortschreitende Wiedereröffnung der Wirtschaft dafür sorgen werden, dass die beiden Voraussetzungen erfüllt sind.
In Bezug auf die Angebotsseite am Wohnungsmarkt war der Bestandsüberhang nach zehn Jahren gedämpfter Bautätigkeit bereits vor der Corona-Rezession abgebaut. Zugleich hat sich die Nachfrage nach zusätzlichem Wohnraum während der Pandemie beschleunigt, weshalb die Zahl der unbewohnten Häuser in den USA auf ein historisch niedriges Niveau gesunken ist.
Daher wird der Bausektor voraussichtlich als starker zyklischer Treiber zurückkehren. Ich glaube, dass sich die Dynamik im Wohnungsbau gänzlich anders entwickeln wird als nach der globalen Finanzkrise. Die Rückkehr des Baugewerbes als wichtiger Wirtschaftsmotor könnte der Post-COVID-Erholung zusätzliche Kraft verleihen und das Zukunftsszenario einer „nachhaltigen Stagnation“ zunächst, oder sogar endgültig, aus der Welt schaffen.
Die Erholung im Wohnungsbau steht vor zwei zentralen Herausforderungen
Es gibt zwei wesentliche Herausforderungen für die Erholung des US-Immobilienmarktes. Die unmittelbare kurzfristige Herausforderung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Zahl der Menschen pro Haushalt in den USA während der Pandemie deutlich gesunken ist und sich jetzt fast auf einem historischen Tiefststand befindet. Dadurch ist ein Teil der Wohnraumnachfrage möglicherweise bereits befriedigt. Dennoch ist der Bestand an leerstehenden Wohnungen gering, sodass neu gebaut werden muss.
Die zweite, noch wichtigere Herausforderung ergibt sich aus der demografischen Entwicklung. Da neue Bestände aufgebaut werden müssen, dürfte der Boom im Wohnungsbau noch einige Zeit anhalten. Letztlich aber wird er sich auf einem Tempo einpendeln müssen, das geringer ist als in den Boomzeiten Mitte der 2000er-Jahre. In dem Maße, in dem sich die Investitionen in den Wohnungsbau an die negativen demografischen Impulse anpassen, dürfte ihre Kraft als Konjunkturmotor nachlassen.
Insgesamt glaube ich, dass die höhere Nachfrage nach Wohnraum die Hauspreise weiter stützen wird. Zugleich erwarte ich eine weiterhin starke Bautätigkeit wegen des geringen Bestands an freiem Wohnraum. Dies wird für zusätzlichen Inflationsdruck sorgen, wodurch die Fed mehr Spielraum für Zinserhöhungen haben dürfte.
In ein paar Jahren sollte indes die Aufstockung des Wohnungsbestands abgeschlossen sein. Dann dürfte sich wieder ein gewisser Angebotsüberhang aufbauen, da sich demografische Makroeffekte nur langsam bei den Verbrauchern und den Bauunternehmen bemerkbar machen. Dies wiederum könnte den natürlichen Zinssatz – auch bekannt als r* – im historischen Vergleich niedrig halten.
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