Mai 2021 / BLOG
100 Tage Biden-Regierung: große Veränderungen in der Wirtschaft geplant
Die massiven Infrastruktur- und Innovationsprogramme dürften Steuererhöhungen unumgänglich machen.
Der neue US-Präsident Joe Biden hat in seiner ersten Rede vor dem Kongress unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass seine ersten 100 Tage ein Vorläufer für das waren, was künftig auf der politischen Agenda stehen wird – und zwar massive, paradigmenverändernde Investitionen in die Infrastruktur und das soziale Sicherheitsnetz des Landes, aufbauend auf dem zu Jahresbeginn verabschiedeten 1,9 Billionen Dollar schweren Hilfspaket.
Sowohl die immensen Ausgaben als auch die Steuererhöhungen zu deren Finanzierung dürften, sofern sie in Kraft treten, sowohl für die Finanzmärkte als auch die US-Wirtschaft erhebliche Folgen haben. Betroffen von den geplanten Gesetzesänderungen dürften unseres Erachtens vor allem die Sektoren Technologie, Gesundheit, Industrie und Versorgung sein.
„Build Back Better“: Aufbau einer besseren Zukunft
Bidens Programm „Build Back Better“ zur Umgestaltung der Wirtschaft umfasst zwei Pakete: den „American Jobs Plan“ (AJP) für eine Modernisierung der Infrastruktur und die Förderung von Innovationen in kritischen Branchen sowie den „American Families Plan“ (AFP) für einen besseren Zugang zu Bildung und eine Steuerentlastung von Haushalten mit geringem Einkommen und mit Kindern. Zudem soll Arbeitnehmern, die Familie haben, die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt erleichtert werden, was unter anderem den Konsum beschleunigen könnte.
Wir erwarten, dass die entsprechenden Vorschriften noch vor Jahresende in einem sogenannten Budgetausgleichsprozess (Budget Reconciliation Process) verabschiedet werden, der lediglich eine einfache Mehrheit im Senat erfordert. Zugleich ist allerdings davon auszugehen, dass die Ausgaben- und Steuererhöhungspläne nur in abgespeckter Form durch den Senat gehen. Letztlich erwarten wir Mehrausgaben von 2,5 bis 4 Billionen Dollar und zusätzliche Steuereinnahmen im Volumen von 1 bis 2 Billionen Dollar.
Welchen Schwerpunkt legt Biden bei den Ausgaben?
Die Anleger dürften sich vor allem auf das 2,25 bis 2,5 Billionen Dollar schwere Jobprogramm konzentrieren. Davon sollen bis zu 621 Milliarden Dollar in die Modernisierung der Infrastruktur und die Förderung sauberer Energietechnologien fließen, insbesondere für Elektrofahrzeuge, die Modernisierung und den Ausbau der Stromnetze sowie die bauliche und ökologische Modernisierung von Gebäuden. Das Programm sieht zudem Mittel für den Aufbau von 5G-Mobilfunknetzen und Breitbandverbindungen sowie Investitionen in traditionelle Infrastrukturen wie Straßen und Brücken vor. Zusätzlich liegen Pläne für ein neues Gesetz für Investitionen in die amerikanischen Highways im Volumen von 500 Milliarden Dollar auf dem Tisch, das ebenfalls noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll.
Das Jobprogramm sieht etwa 880 Milliarden Dollar für „kritische Technologien“ vor, beispielsweise in den Bereichen Halbleiter und Impfstoffe sowie anderen Sparten, in denen inländisches Knowhow als strategisch wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit der USA gelten. Die geplanten Ausgaben beinhalten beträchtliche Summen für ein innovationsorientiertes staatliches Beschaffungswesen sowie für Forschung und Entwicklung, mit einem Schwerpunkt auf sauberer Energie und der Ökologisierung der Industrie. Geplant sind zudem erweiterte bzw. verlängerte Steuerentlastungen im Zusammenhang mit fortschrittlichen Technologien, der Produktion sowie der Rückholung von Lieferketten in die USA.
Viele dieser Ausgabeninitiativen scheinen bei den Demokraten den erforderlichen Rückhalt zu haben, auch wenn der Kongress die Finanzierungsmechanismen und die Details für deren Umsetzung noch festlegen muss. Zu den Profiteuren dürften vor allem Versorgungsdienste, Unternehmen im Bereich Elektrofahrzeuge, Hersteller von Halbleiterfertigungsanlagen sowie Industrieunternehmen zählen, die auf effizientere und saubere Energien ausgerichtet sind.
Wer zahlt die Rechnung?
Die für die beiden Programme benötigten Ausgaben sollen zum Teil durch höhere Unternehmens- und Personensteuern finanziert werden. Wir glauben allerdings, dass letztlich auch eine höhere Defizitfinanzierung erforderlich werden dürfte, als es die Biden-Regierung bislang vorsieht.
So soll beispielsweise zur Finanzierung des AJP der Körperschaftssteuersatz auf 28 Prozent angehoben werden. Dieser lag seit des 2017 verabschiedeten „Tax Cuts and Jobs Act“ bei 21 und davor bei 35 Prozent. Verschiedene demokratische Senatoren machen sich allerdings für einen Satz von 25 Prozent stark, sodass eine Anhebung darüber hinaus nur durchzusetzen sein dürfte, wenn gleichzeitig eine Übergangsregelung geschaffen wird.
Biden scheint zudem hinreichende Unterstützung zu haben, um die internationalen Einnahmen der Unternehmen höher zu besteuern. Denn eine harte Haltung in Bezug auf im Ausland erzielte Gewinne stößt auf einen breiten politischen Konsens. Biden plant, Abzugsmöglichkeiten abzuschaffen, bei deren Anwendung multinationale Unternehmen effektiv weniger Steuern zahlen. Zudem will er die Abgabe auf globale immaterielle Einkünfte („GILTI“) von 10,5 auf 21 Prozent anheben. Auch wenn die Anhebung letztlich geringer ausfallen könnte, glauben wir nicht, dass sie wesentlich darunter liegen wird. Wir gehen davon aus, dass große US-Technologiekonzerne und multinationale Pharmahersteller die Hauptlast derartiger Steuererhöhungen tragen werden.
Die Biden-Administration spricht sich zudem für eine Art Mindeststeuer auf Buchgewinne1 aus. Diese zielt vor allem auf große US-Unternehmen ab, die von niedrigen effektiven Steuersätzen profitieren. Sollten diesen Pläne hinreichende politische Unterstützung finden und umgesetzt werden, könnten die Auswirkungen jedoch durch neue Steuerabzugsmöglichkeiten und anderweitige Zugeständnisse für bestimmte Branchen – vor allem jene, die nach dem AJP und AFP gefördert werden sollen – abgemildert werden.
Bei der Besteuerung von Privatpersonen sieht das AFP vor, Kapitalgewinne und Dividenden von Personen, die mehr als 1 Million Dollar verdienen, mit dem normalen Einkommensteuersatz von 39,6 Prozent zu besteuern. Allerdings könnte dieser Satz letztlich auf 28 Prozent gesenkt werden – den Satz, der zur Generierung von Mehreinnahmen weithin als optimal angesehen wird.
Alle diese Vorschläge zur Generierung von Mehreinnahmen befinden sich noch in einem frühen Stadium. Aufgrund der potenziellen Folgen für die Wirtschaft und die Anleger werden wir genau beobachten, wie sich die Verhandlungen weiterentwickeln.
Welche Sektoren gilt es, weiter im Auge zu behalten?
Obwohl das geplante Familienprogramm keine Maßnahmen zur Senkung der Gesundheitskosten vorsieht, könnte die Regierung möglicherweise das Jahr 2022, in dem Zwischenwahlen stattfinden, abwarten, um einen erweiterten Zugang zur Krankenversicherung durch das „Affordable Care Act“ und Maßnahmen zur Senkung der Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente auf die Agenda zu setzen. Anleger sollten zudem die Möglichkeit staatlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit den großen US-Technologieplattformen im Auge behalten, insbesondere im Hinblick auf kritische Punkte in Sachen Datenschutz und als wettbewerbswidrig angesehene Praktiken.
Nach 100 Tagen unter der neuen Biden-Regierung stellen wir fest, dass deren Pläne für die kommenden 12 bis 18 Monate erhebliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte, die Gesamtwirtschaft und einzelne Branchen erwarten lassen.
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